Full text: Von den ältesten Zeiten bis zum Westfälischen Frieden (Teil 1 = 5. und 4. Kl.)

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Papst als ihr Oberhaupt an und hatte Glaubenssätze (Dogmen) 
aufgestellt, die teils aus der Bibel, teils aus der Tradition 
geschöpft waren. So nannte man die Kunde, die durch Über¬ 
lieferung, d. H. durch Erzählung von Mund zu Munde, über den 
Heiland und die Apostel, ihr Leben und ihre Lehre sich durch 
die Jahrhunderte fortgepflanzt hatte. Es galt als Pflicht des 
Christen, jene Glaubenssätze blind anzunehmen. Wer einen 
Zweifel an dem einen oder dem andern laut werden ließ, galt 
als Ketzer, wurde durch den Bannfluch aus der Kirche aus¬ 
gestoßen und der weltlichen Obrigkeit übergeben. Seine Strafe 
war gewöhnlich der Tod auf dem Scheiterhaufen. Trotz dieser 
grausamen Strafe hörten die Ketzereien nicht auf. In Süd¬ 
frankreich wurden ganze Provinzen davon ergriffen, aber die 
Ketzer wurden dort mit Feuer und Schwert ausgerottet. 
Unzufriedenheit mit der Kirche. Es waren Lehren der Kirche, 
besonders solche, die sich aus der Bibel nicht herleiten ließen, die 
große Unzufriedenheit mit der Kirche erzeugten; dazu kamen 
Mißbräuche, die sich eingeschlichen hatten. Die vornehme Geistlich¬ 
keit tat es den weltlichen Fürsten gleich an Aufwand und üppigem 
Leben; die niedere Geistlichkeit zeigte sich oft als unwissend und 
lasterhaft und vernachlässigte den Gottesdienst. Dieser wurde 
von vielen Priestern ohne Andacht abgehalten. Ein Professor 
an der englischen Universität Oxford, namens Wiclef, hatte 
mehrere Lehrsätze der katholischen Kirche als falsche bezeichnet. 
Seine Lehren gelangten auch nach Deutschland. In Prag wurden 
sie von dem Geistlichen und Professor Johannes Hnß angenommen 
und verbreitet. 
Die Vorreformation. König Sigismund, der Sohn Karls IV., 
hatte eine Kirchenversammlung nach Kostnitz einberufen, um die 
Einheit der Kirche herzustellen. Es gab nämlich drei Päpste zu 
gleicher Zeit; jeder hielt sich für den rechtmäßigen und bannte 
den andern. Dadurch entstand eine allgemeine Verwirrung in 
der Christenheit. Das Konzil sollte aber auch, so hoffte man, 
die Mißbräuche in der Kirche abstellen, eine Reformation an 
Haupt und Gliedern vornehmen. Nicht allein aus Deutschland, 
auch aus England, Frankreich, Italien, Spanien und noch ferneren 
Ländern waren Fürsten, Bischöfe, Gelehrte, Gesandte und Ritter 
mit großem Gefolge nach Kostnitz gekommen, zusammen an 
30 000 Menschen, um, wie sie meinten, die Schäden der Kirche
	        
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