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Rom gingen. Das Volk war nicht befriedigt durch den Gottes¬
dienst. Die Messe wurde in lateinischer Sprache gelesen, die das
Volk nicht verstand, die heilige Schrift den Laien vorenthalten.
Manche Lehren der Kirche, wie die vom Fegefeuer und der Ver¬
ehrung der Heiligen, fand man in der heiligen Schrift nicht be¬
gründet, besonders die nicht, daß der Papst der Nachfolger Petri,
der Statthalter Christi auf Erden sei. Päpste und Bischöfe hatten
durch leichtfertiges Leben Anstoß erregt, mancher hatte sogar durch
Laster ein böses Beispiel gegeben.
Der Ablaß. Besonders unzufrieden war man darüber, daß
manche Geistliche den Ablaß erteilten, daß sie damit Strafen für
die Sünden erließen, ohne Reue, Buße und ernstes Gelöbnis der
Besserung zu verlangen. Im Anfange des sechzehnten Jahrhunderts
war Leo X. Papst, ein Mann von vornehmer Geburt und großer
Liebe zur Kunst. Er wünschte, die Peterskirche in Rom auszu¬
bauen. Da es ihm an dem nötigen Gelde fehlte, ließ er einen
großen Ablaß ausschreiben, um die Mittel durch die Opfer der
Gläubigen zu erlangen. In Deutschland übernahm es der Erz¬
bischof Albrecht von Mainz und Magdeburg, ein Bruder des
Kurfürsten Joachim von Brandenburg, dem Volke den Ablaß
predigen zu lassen. Mit einem Teile des geopferten Geldes wollte
er die Schulden tilgen, die er beim Papste hatte. Er schickte
Mönche im Lande umher; diese gaben Zettel aus, auf denen die
Absolution (Lossprechung von der kirchlichen Sündenstrafe) aus¬
gesprochen war. Manche boten diese Ablaßzettel wie eine Ware
aus und versetzten dadurch das Volk in den Wahn, daß man für
Geld seine Sünden loswerden könnte. Diese Leichtfertigkeit wurde
von vielen katholischen Christen getadelt. Besondern Anstoß aber
erregte der Mönch Tetzel in der Nähe von Wittenberg, der Ablaß
von allerlei Sünden, von leichten und schweren, schon begangenen
und auch zukünftigen, feil bot. Das betörte Volk strömte von allen
Seiten herbei, um diese wertlosen Zettel zu kaufen. Dr. Martin
Luther, Prediger an der Schloßkirche und Professor an der
Universität in Wittenberg, wurde über diesen Unfug empört; er
beschwerte sich über das Treiben Tetzels bei dem Bischöfe von
Brandenburg. Der aber tat nichts gegen den Ablaßkrämer, riet
Luther vielmehr zu schweigen.