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Kulturgeschichtliche Kilder.
1. Die Kreuzzüge.
Im Mittelalter hingen die Menschen mit warmer Liebe an
ihrem Erlöser; heilig waren ihnen auch die Stätten, an denen er
gelebt, gelehrt und gelitten hatte. Zahlreiche Wallfahrer pilgerten
daher in das gelobte Land, um jene Stätten aufzusuchen, be¬
sonders seit dem Jahre 1000, in dem man allgemein den Unter¬
gang der Welt befürchtete. Palästina stand lange unter der Herr¬
schaft der Araber. Diese hinderten die Christen nicht an dem
Besuche der heiligen Stätten, wenn sie ein Schutzgeld bezahlten.
Nachdem Palästina aber in den Besitz der Türken gekommen war,
klagten die Pilger, daß sie feindlich behandelt, verfolgt und be¬
raubt würden. Als solche Klagen in Europa laut wurden, hielt
man es für eine Schmach, daß die heiligen Stätten in den
Händen der Ungläubigen gelassen wurden. Schon Gregor VII.
hatte sich vorgenommen, sie zu befreien; aber die Kämpfe, die er
zu bestehen hatte, hinderten ihn, seinen Plan auszuführen.
Die Kirchenversammlung zu Clermont. Als aber jene
Klagen immer lauter wurden, beschloß Urban II., die Christenheit
zur Befreiung des heiligen Landes aufzurufen. In der fran¬
zösischen Stadt Clermont hielt der Papst eine Kirchenversammlung
ab, zu der sich eine ungeheure Menge Volks eingefunden hatte.
Die Versammlung wurde unter freiern Himmel abgehalten. Der
Papst erschien im vollen Schmuck seiner Würde. Er ergriff das
Wort, schilderte die Leiden der Pilger und forderte zu einem
Zuge zur Befreiung des heiligen Landes auf. Als er geendet
hatte, riefen alle wie aus einem Munde: „Gott will es! Gott
will es!" Viele Fürsten, Grafen, Ritter und zahlreiches Volk
gelobten, an dem Zuge teilzunehmen. Alle ließen sich zum
Zeichen, daß es einen heiligen Krieg gelte, ein rotes Kreuz aus
die rechte Schulter heften. Geistliche zogen durch Stadt und
Land, um das Volk zur Teilnahme an dem Zuge anzufeuern.
Unter ihnen zeichnete sich der Einsiedler Peter von Amiens durch