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wo des Perkunosx) Steine ragen,
von Urwaldfichten schwarz umsäumt ;
wo wilde Steppenhengste jagen
und im Gestrüpp der Rohrwolf heult: —
dort, statt am Jordan zu vergeuden
des Ritters Mut, des Bauern Kraft,
dort sollt ihr fechten, baun und reuten
mit Hjt und Grabscheit, Schwert und Schaft.
Huf! rasche Franken, zähe Sachsen,
ihr Schwaben klug, ihr Bayern stark,
gen Preußenland! Rus Sumpf erwachsen
soll Deutschland eine neue Mark.
Gen Preußenland! Brecht, stet im Siegen,
mit Schwert und Pflug die DDege klar,
und hoch ob euren Häuptern fliegen
prophetisch soll des Reiches Rar. Felix Dahn.
71. Der Einzug der Deutschordensritter in Preußen. 1230.
Rus dem hügellande Thüringen bewegte sich ein reisiger Zug ostwärts
nach den Ufern der Weichsel. 3n der Urzeit hatte das gelbe Wasser des
großen Stromes die Vandalen und Burgunder getrennt von Slawen und an¬
deren Völkern fremden Stammes. Damals hatten sich die Germanenkrieger
aus ihren östlichen Sitzen erhoben und waren wie Meereswogen einge¬
brochen in den Ländern des Westens, mildere Sonne und ein reicheres
Leben begehend. Jetzt strömte:die Volkskraft der Deutschen in vielen kleinen
Wellen wieder zurück von Westen nach Osten, und tausend Jahre nach
der Ruswanderung jener alten Germanen begannen die Thüringer und
Sachsen an der Stromgrenze aufs neue den Kampf gegen die Fremden,
mit stärkeren Waffen und festerer Kraft.
Der hause, welcher von den roten Bergen und dem Ressebach über
die Saale zog, glich in vielem den Schwärmen alter Germanen, welche
tausend Jahre vorher aus dem Osten gekommen waren; denn nicht nur
gewappnete Krieger bildeten die Schar, ein langer Troß von Wagen und
Karren folgte mit Kindern und Frauen, gezogen durch starke Rinder, be¬
laden mit Saatkorn, Hausrat und Feldgerät. Und es war nicht allein
die unruhige Jugend, welche auszog, auch grauhaarige Bauern mit ihren
Hausfrauen saßen auf den Wagen oder schritten, das Kreuzlied singend,
nebenher. Der alte hartmann aus Friemar ritt in dem Haufen, der Frei-
fchöffe Isenhard und andere ansehnliche Nachbarn von der Nesse, welche
Baugrund in einem Lande begehrten, wo sie als Thristen ehrwürdig waren,
und wo man um anderes sorgte als um ihre Gedanken über die Macht
des Vaters und des Sohnes. Ruch deutsche Ordensleute zogen in der Schar,
Bruder Sibold führte sie, und Ivo2) ritt als Mitbruder neben seinem Gemahl
Friderun. —
Je weiter die Fahrenden nach Osten drangen, desto größer wurde
die Schar, mehr als einmal kamen sie bei ähnlichen Haufen gerüsteter
Ruswanderer vorüber, dann liefen die Fahrenden mit frohem Gruß zusammen
*) oberster Gott der heidnischen Preußen, »der Donnerer“; ihm wurden die ge¬
fangenen Feinde am Gpferstein geschlachtet.
2) s. Nr. 69.