Full text: Aus der deutschen, besonders brandenburg-preußischen Geschichte vom Anfange des 16. Jahrhunderts bis zur Auflösung des römisch-deutschen Reiches (Teil 2)

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Krätze leiden, von der man sagen kann, sie sei allen Völkern gemeinsam 
Don solchen Kranken droht größere Gefahr als von Aussätzigen. 
Der bärtige Ganymed kommt wieder und legt auf so vielen Tischen, 
als er für die Zahl der Gäste hinreichend glaubt, die Tischtücher auf, grob 
wie Segeltuch; für jeden Tisch bestimmt er mindestens acht Gaste. Jene, 
die mit der Landessitte bekannt sind, setzen sich, wo es ihnen beliebt, 
denn hier ist kein Unterschied zwischen arm und reich, zwischen Herren und 
Knechten. Sobald sich alle an den Tisch gesetzt, erscheint wieder der sauer¬ 
sehende Ganymed und zählt nochmals seine Gesellschaft ab und setzt dann 
vor jeden einzelnen einen hölzernen Teller, einen Holzlöffel und nachher 
ein Trinkglas. Meder etwas später bringt er Brot, was sich jeder zum 
Zeitvertreib, während die Speisen kochen, reinigen kann,' so sitzt man nicht 
selten nahezu eine Stunde, ohne daß irgend einer nach Essen begehrt. 
Endlich wird der Wein von bedeutender Säure aufgesetzt. Fällt es nun 
etwa einem Gaste ein, für sein Geld um eine andere Weinsorte zu ersuchen, 
so tut man anfangs, als ob man es nicht horte, aber mit einem Gesichte, 
als wollte man den ungebührlichen Begehrer umbringen. Wiederholt der 
Bittende sein Rnliegien, so erhält er den Bescheid: ,,3n diesem Gasthofe 
sind schon so viele Grafen und Markgrafen eingekehrt, und keiner hat sich 
noch über meinen Wein beschwert,- steht er dir nicht an, so suche dir ein 
anderes Wirtshaus!" Venn nur die Adligen ihres Volkes halten sie für 
Menschen und zeigen auch häufig deren Wappen. Damit haben die Gäste 
einen Bissen für ihren bellenden Magen. Bald kommen mit großem Ge¬ 
pränge die Schüsseln. Die erste bietet fast immer Brotstückchen mit Fleisch¬ 
brühe oder, ist es ein Fast- oder Fischtag, mit Brühe von Gemüsen über¬ 
gössen. Dann folgt eine andere Brühe, hierauf etwas von aufgewärmten 
Fleischarten oder Pökelfleisch oder eingesalzenem Fleisch. Wieder eine 
Musart, hierauf festere Speise, bis dem wohlbezähmten Magen gebratenes 
Fleisch oder gesottene Fische von nicht zu verachtendem Geschmacke vor¬ 
gesetzt werden. Rber hier sind sie sparsam und tragen sie schnell wieder ab. 
Hm Tische muß man bis zur vorgeschriebenen Zeit sitzen bleiben, und diese, 
glaube ich, wird nach der Wasseruhr bemessen. Endlich erscheint der be¬ 
wußte Bärtige oder gar der Gastwirt selbst, der sich jedoch am wenigsten 
von seinen Dienern in der Kleidung unterscheidet, und fragt: ob wir etwas 
wünschen? Dann wird auch etwas besserer Wein herbeigebracht. Die besser 
trinken, sind den Wirten angenehmer, obgleich sie um nichts mehr zahlen 
als jene, die sehr wenig trinken; denn es sind nicht selten welche, die mehr 
denn das Doppelte in Wein verzehren, als was sie für das Gastmahl 
zahlen. (Es ist zum verwundern, welches Lärmen und Schreien sich erhebt, 
wenn die Köpfe vom Trinken warm werden. Keiner versteht den andern, 
häufig mischen sich Possenreißer oder Schalksnarren in diesen Tumult, und 
es ist kaum glaublich, welche Freude die Deutschen an solchen Leuten finden, 
die durch ihren Gesang, ihr Geschwätz und Geschrei, ihre Sprünge und 
Prügeleien solch ein Getose machen, daß die Stube dem (Einsturze droht 
und keiner den andern hört. Und doch glauben sie, so recht angenehm zu 
leben, und man ist gezwungen, bis in die tiefe Nacht hinein sitzen zu bleiben. 
Ist endlich der Käse abgetragen, der ihnen nur schmackhaft erscheint, wenn 
er stinkt und von Würmern wimmelt, so tritt wieder jener Bärtige auf 
mit der Speisetafel in der Hand, auf die er mit Kreide einige Kreise
	        
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