Full text: Aus der deutschen Geschichte vom Beginne des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Teil 3)

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Er ritt in bcn Friedhof hinein, über halb versunkene Gräber hin, 
und im Vorwärtsreiten betete er flüsternd: „Nur das nicht, Herr! Latz 
mich nicht zum elenden Krüppel werden. Nimm mich lieber hinwea 
wenn's dein Wille ist." 
Dann fuhr er wieder auf. „Füsiliere, werft euch nieder! Die Hunde 
werden gleich schießen!" 
Die feindliche Infanterie schoß aber nicht, sondern zog sich weiter 
zurück. Dagegen fingen nun die Franzosen an, das Bataillon mit Gra¬ 
naten zu bewerfen. Ein furchtbares Feuer richtete sich gegen die wackere 
Schar, aber die Kugeln gingen meist zu hoch, taten wenig Schaden, 
rissen nur hier und da einen nieder. 
Eine Kugel fegte den Sattelknopf des Majors hinweg. Krosigk 
zwang das mit eiserner Hand wild um sich schlagende Tier zur Ruhe 
und sagte dann gelassen: „Seht, Füsiliere, jetzt hätten sie mich bald er¬ 
schossen, aber sie sollen mich nicht treffen." 
Stunde auf Stunde verrann so. Von rechts her brüllte die Schlacht; 
dort leitete der alte selbst den Angriff auf Möckern, das viermal 
erstürmt, viermal verloren war. 
Krosigk glühte und bebte vor Kampfeslust. Kaum vermochte er 
seine Ungeduld zu zügeln, kaum den Befehl zur Attacke zurückzuhalten. 
Sollten die da drüben siegen ohne ihn? Stumm, mit zusammengepreßten 
Lippen und starren Blicken, sah er Hin auf die ungeheure Dampfwolke, 
aus der das Geknatter der Gewehre, das Geschrei der Kämpfer, das 
Geheul und Ächzen der Verwundeten heraustönte. 
Da erklingt das Signal der Flügelhörner: Avancieren! Offiziere 
jagen heran und schreien: „Alles mit Sturm! Alles mit Sturm!" 
„Marsch, marsch!" brüllt Krosigk mit blitzenden Augen und stürmt, 
allen voran, auf die französische Batterie los. Keine Kugel trifft ihn, 
wie der Blitz ist er mitten unter die Kanoniere gefahren, haut rechts 
und links alles nieder, seine Füsiliere stürzen ihm nach, vollenden das 
Werk, die Batterien sind erobert. 
Aber dicht dahinter starrt ihm ein Wald von Bajonetten entgegen, 
ein Viereck der Gardemarine. Einen Augenblick stutzt er, dann gibt er 
dem Rosse die Sporen, und wie ein Pfeil fliegt das edle Tier in gewal¬ 
tigem Satze mit seinem Reiter in die blitzenden Spieße hinein. Den 
Flügelmann schmettert seine mächtige Faust zu Boden, seine Füsiliere, 
immer hinter ihm, drängen in die Bresche, drehen die Gewehre um, 
hauen mit den Kolben auf die dicht zusammengepreßten Feinde ein. 
Kein Schuß ward mehr abgefeuert, kein Schrei ertönt, in stummer Wut 
schlagen die märkischen Bauernsöhne die Franzosen zu Boden bis auf 
den letzten Mann. 
Heinrich von Krosigk sah das alles nur noch mit umflortem Blicke. 
Aus tödlichen Wunden blutend war er vom Pferde gesunken. Mit 
Hilfe zweier Füsiliere raffte er sich noch einmal auf und schleppte sich 
auf einen nahen Erdhügel. „Geht, Kinder!" keuchte er, „mit mir ist's 
aus! Tut eure Schuldigkeit! Geht und siegt!" 
In dem Augenblick sprengt der General Hünerbein herbei. „Wie 
heißt dieses Regiment?" ruft er. „Das zweite Brandenburgische," klingt 
es zurück. „Ha, wackere Brandenburger! Der Sieg ist unser! Euer Ba¬ 
taillon gehört unter die Sterne des Himmels!"
	        
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