Full text: Aus der deutschen Geschichte vom Beginne des 19. Jahrhunderts bis zur Gegenwart (Teil 3)

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zu suchen, oas sie aufnähme, meist vergeblich, denn alle Ladres waren 
voll und übervoll; wenn sie nicht in einem Ersatzbataillon Unterkunft 
fanden, bildeten sie wohl sogenannte Nothelfer-Kolonnen, nicht selten 
unter der Führung von Professoren, die trotz ihres Alters die innere 
Bewegung nicht zu Hause litt, mit dem Hauptzweck, die Verwundeten 
auf den Schlachtfeldern aufzulesen: sie sollten zahlreiche und gefähr¬ 
liche Arbeit erhalten. In allen Gemeinden entstanden Vereine zur Er¬ 
richtung zweckmäßiger Lazarette, zur Sammlung von Verbandzeug, 
Lebensrnitteln, Kleidungsstücken aller Art für die Kämpfer und die 
Kranken draußen im Felde. 
Deutscher Gewerbefleiß hatte eine Menge junger Männer in alle 
Länder Europas geführt; sie alle eilten auf die erste Nachricht, ohne auf 
die amtliche Einberufung zu warten, zu den heimischen Fahnen zurück. 
Die Schriftsteller riefen die Erinnerung an die gleiche Erhebung von 1813 
wach; die Dichter fügten den alten Gesängen von Arndt, Körner und 
Scl>enkendorf neue Kampfeslieder hinzu, einige, z. B. Geibels pracht¬ 
voller Siegesjubel, von höchster poetischer Wirkung; es gab keine Zeitung, 
die nicht Tag für Tag die Begeisterung zu steigern gesucht hätte. Lange 
Jahrhunderte waren vorübergegangen, wo überall Deutsche gegen 
Deutsche gekämpft hatten, ohne zu wissen, was sie taten: jetzt endlich 
war die deutsche Volksseele ihrer Einheit und ihrer Kraft sich bewußt ge¬ 
worden, und Millionen drängten sich mit freudigem Entschlüsse zu dem 
neuentdeckten Bruderbunde und zur Abwehr des alten, schlimmen Wider¬ 
sachers. Dieser Krieg sollte nicht ein Turnierplatz ritterlicher oder diplo¬ 
matischer Kampfspiele werden: nein, es stand fest bei Fürsten und Bauern, 
bei Staatsmännern und Soldaten: man wolle kämpfen bis zum letzten 
Atemzüge oder bis zu der gründlichen Überwältigung des Friedens¬ 
störers. Alle anderen Interessen traten zurück, die Gegensätze der Par¬ 
teien und Konfessionen verblaßten; aus dem geselligen Verkehr ver¬ 
schwand der Luxus und die Eifersucht der Koterien; keine niedrige Sorge, 
keine gemeine Selbstsucht durfte sich hervorwagen: es war, als träten 
vor dem mächtig emporsteigenden Bilde des Vaterlandes die Menschen 
besser und reiner geworden. Wer in Deutschland das Glück gehabt hat, 
diese ersten Tage der nationalen Auferstehung zu erleben, wird ihr An¬ 
denken als heiligen Schatz sein Leben lang im Herzen bewahren. 
Bemricb v. Svbel, Die Begründung iX's Deutschen Reiches. 
85. Tie Emser Depesche. 13. Juli 1870. 
Zum Rücktritt entschlossen trotz der Vorwürfe, die mir Noon dar¬ 
über machte, lud ich ihn und Moltke zum 13. Juli ein, mit mir zu 
drei zu speisen, und teilte ihnen bei Tische meine An- und Absichten 
mit. Beide waren sehr niedergeschlagen und machten mir indirekt 
Vorwürfe, daß ich die im Vergleiche mit ihnen größere Leichtigkeit des 
Rückzuges aus dem Dienste egoistisch benutzte. Ich vertrat die Meinung, 
daß ich mein Ehrgefühl nicht der Politik opfern' könne, daß sie beide 
als Berufssoldaten wegen der Unfreiheit ihrer Entschließung nicht die¬ 
selben Gesichtspunkte zu nehmen brauchten wie ein verantwortlicher 
auswärtiger Minister. Während der Unterhaltung wurde mir gemeldet, 
daß ein Ziffertelegramm, wenn ich mich recht erinnere, von ungefähr 
200 Gruppen, aus Ems, von dem Geheimrat Abeken unterzeichnet^
	        
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