Full text: Geschichte des Dreißigjährigen Krieges

Zweiter Teil. Drittes Buch. 201 
Außenseite Ruhe und Müßiggang log, brütete er still bie 
schreckliche Geburt ber Rachbegierbe unb Ehrsucht zur 
Reife unb näherte sich langsam, aber sicher bem Ziele. Er¬ 
loschen war alles in seiner Erinnerung, was er burch ben 
Kaiser geworben war; nur was er für ben Kaiser getan 
hatte, ftanb mit glühenben Zügen in sein Gebächtnis ge¬ 
schrieben. Seinem unersättlichen Durst nach Größe unb 
Macht war ber Unban! bes Kaisers willkommen, ber sei¬ 
nen Schuldbrief zu zerreißen unb ihn jeber Pflicht gegen 
den Urheber seines Glücks zu entbinben schien. Entsün- 
bigt unb gerechtfertigt erschienen ihm jetzt bie Entwürfe 
feiner Ehrsucht im Gewanb einer rechtmäßigen Wieber- 
vergeltung. An eben bem Maß, als sein äußerer Wir¬ 
kungskreis sich verengte, erweiterte sich bie Welt feiner 
Hoffnungen unb feine fchwarmenbe Einbilbungskraft 
verlor sich in unbegrenzten Entwürfen, bie in jebem an¬ 
betn Kops als betn feinigen nur ber Wahnsinn erzeugen 
sann. So hoch, als ber Mensch nur immer burch eigene 
Kraft sich zu erheben vermag, hatte fein Verdienst ihn 
emporgetragen; nichts von allem bem, was bem Privat¬ 
mann unb Bürger innerhalb feiner Pflichten erreichbar 
bleibt, hatte bas Glück ihm verweigert. Bis auf ben 
Augenblick feiner Entlassung hatten feine Ansprüche fei¬ 
nen Widerstanb, fein Ehrgeiz keine Grenzen erfahren; oer 
Schlag, ber ihn auf bem Regensburger Reichstag zu 
Boben streckte, zeigte ihm ben Unterschieb zwischen^ ur¬ 
sprünglicher unb übertragener Gewalt unb ben Abftanb 
bes Untertans von bem Gebieter. Aus bem bisherigen 
Taumel feiner Herrfchergröße burch biefert überrafchenben 
Glückswechfel ausgestreckt, verglich er bie Macht, bie er 
besessen, mit berjenigen, burch welche sie ihm entnffen 
mürbe, unb sein Ehrgeiz bemerkte bie Stufe, bie auf ber 
Leiter bes Glücks noch für ihn zu ersteigen war. Erst nach¬ 
dem er bas Gewicht ber höchsten Gewalt mit schmerzhafter 
Wahrheit erfahren, streckte er lüstern bie Hänbe barnaa) 
aus; ber Raub, ber an ihm selbst verübt würbe, machte ihn
	        
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