101
Der Vater sprach: „Wie es mit diesen Stäben ist, so ist es
mit euch, meine Söhne! So lang ihr fest zusammen haltet,
werdet ihr bestehen, und niemand wird euch überwältigen können.
Bleibt aber das Band der Eintracht, das euch verbinden sollte,
ausgelöst, so wird es euch gehen wie den Stäben, die hier zer¬
brochen auf dem Boden umherliegen."
Da8 Haus, wo Zwietracht herrscht, zerfällt;
nur Einigkeit erhält die Welt.
126. Der Blinde und der Lahme.
1. Von ungefähr muß einen Blinden
ein Lahmer auf der Straße finden,
und jener hofft schon freudenvoll,
daß ihn der andre leiten soll.
2. „Dir," spricht der Lahme, „beizustehen?
Ich armer Mann kann selbst nicht gehen;
doch scheint's, daß du zu einer Last
noch sehr gesunde Schultern hast.
3. Entschließe dich, mich fortzutragen,
so will ich dir die Stege sagen:
so wird dein starker Fuß mein Bein,
mein Helles Auge deines sein."
4. Der Lahme hängt mit seinen Krücken
sich auf des Blinden breiten Rücken.
Vereint wirkt also dieses Paar,
was einzeln keinem möglich war.
127. Hans im Glücke.
1. Hans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient. Da
sprach er zu ihm: „Herr, meine Zeit ist herum; nun wollte ich
gerne wieder heim zu meiner Mutter. Gebt mir meinen Lohn! “
Der Herr antwortete: „Du hast mir treu und ehrlich gedient;
wie der Dienst war, so soll der Lohn sein!“ und gab ihm ein
Stück Gold, das so gross wie sein Kopf war. Hans zog sein
Tüchlein aus der Tasche, wickelte den Klumpen hinein, hob ihn
auf die Schulter und machte sich auf den Weg nach Hause.
2. Wie er so daherging und immer ein Bein vor das andere
setzte, kam ihm ein Reiter in die Augen, der frisch und fröh¬
lich auf einem muntern Pferde vorbeitrabte. „Ach,“ sprach
Hans ganz laut, „was ist das Reiten ein schönes Ding! Da sitzt
einer wie auf einem Stuhl, stöfst sich an keinem Stein, spart