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auf mich losgelassen hat. Auch ihm, da er ein Mensch ist und 
auf einem Throne sitzt, kann .einmal zustoßen, was er sich nicht 
wünscht. Weiter habe ich nichts zu schreiben, denn das Unglück, 
in dem ich mich befinde, hat mir die Klarheit des Geistes ge¬ 
trübt. Lebe wohl, lieber Pharas, und sende auf diese meine 
Bitte nur eine Zither, ein einziges Brot und einen Schwamm." 
Als er diese Antwort erhielt, blieb ihm zunächst der Schluß 
des Briefes unverständlich, bis der Überbringer ihm erklärte: 
„Um ein Brot hat Gelimer gebeten, weil er kein gebacken Brot 
gesehen noch genossen, seit er auf Pappuas sitzt. Den Schwamm 
will er brauchen, weil ihm ein Auge vom Weinen und Schmutz 
geschwollen ist. Der König versteht sich auf Gesang und Saiten¬ 
spiel; da hat er ein Lied gedichtet von seinem eignen Unglück; 
wenn er nun das unter Weinen und Wehklagen vorträgt, braucht 
er die Zither, sich zu begleiten." Wie Pharas das vernommen, 
zeigte er sich sehr gerührt und fühlte Mitleid mit dem Geschick 
des Königs. Er tat nach dem Briefe Gelimers und schickte ihm, 
was er wünschte. Seine Wachsamkeit aber verschärfte er wo¬ 
möglich noch mehr. 
Schon hatte die Belagerung drei Monate gedauert, und 
der Winter nahte sich seinem Ende. Gelimer mußte befürchten, 
daß die Belagerer nächstens wieder einen Sturm wagen würden, 
und ihn abzuwehren, fehlte bereits allen die Kraft! Die meisten 
Kinder seiner Verwandten litten bei der schlechten Ernährung 
an einer Wurmkrankheit. Aber obgleich er sich sonst leicht dem 
Schmerz hingab, blieb er unbewegt und hielt siu., wider aller 
Erwarten aufrecht in der furchtbaren Bedrängnis, bis er folgen¬ 
des eines Tages mit ansehen mußte. Ein maurisches Weib 
hatte irgendwoher eine Handvoll Getreide zusammengekratzt, 
gemahlen, einen kleinen Kuchen daraus gemacht und wollte ihn 
nun in der heißen Asche auf dem Herde rösten. So machen 
nämlich die Mauren ihr Brot. An dem Herde saßen zwei halb¬ 
verhungerte Knaben, der eine der Sohn des Weibes, die eben 
den Kuchen bereitet hatte, der andere ein Brudersohn Gelimers. 
Jeder wartete gierig darauf, daß der Kuchen gar würde, um 
ihn dann sofort zu verschlingen. Der Vandalenknabe griff zuerst 
zu und schob den heißen, aschebedeckten Kuchen in den Mund, 
da er sich vor Hunger nicht mehr zu lassen wußte; der andere 
aber faßte ihn bei den Haaren und schlug ihn solange auf den 
Kopf, bis er den bereits halbverschlungenen Kuchen wieder fahren 
ließ. Gelimer hatte den ganzen Vorgang mit angesehen und war 
davon so ergriffen, daß sein starrer Sinn sich erweichte und er 
sogleich an Pharas schrieb, er wolle sich mit den Seinigen auf
	        
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