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streckend, beinahe bis zur Mitte der Stadt gelangt, als dem Grafen
von Toulouse und den übrigen Fürsten, die mit ihm waren und an
dem Berge Zion kämpften, die Einnahme der Stadt und der Sieg
der Unsern noch unbekannt war. Als aber durch den Einzug der
Unsern und das Hinmorden der Bürger ein ungeheures Geschrei
und schreckliches Getöse sich erhub, wunderten sich die Bürger, welche
auf dieser Seite verteidigten, was das ungewöhnliche Geschrei und
das Lärmen des schreienden Volkes zu bedeuten habe, und erfuhren
nun, daß die Stadt mit Gewalt erbrochen und die Heerhaufen der
Unsern hineingelassen seien; daher verließen sie die Türme und die
Mauer, und nach verschiedenen Orten flüchtend, suchten sie für ihre
eigene Rettung zu sorgen. Die meisten von ihnen begaben sich,
weil die Besatzung (praesidium) der Stadt in der Nähe aufgestellt
war, auf die Burg; das Heer aber schlug frei und ohne Schwierig¬
keit eine Brücke auf die Mauer, legte Leitern daran und drang wett¬
eifernd in die Stadt, ohne Widerstand zu finden. Sobald sie in der
Stadt waren, öffneten sie sogleich das südliche Tor, das ihnen zu¬
nächst lag, damit das übrige Volk ohne Schwierigkeit hereingelassen
würde. Es zogen also ein der ausgezeichnete und tapfere Held,
der Herr Graf von Toulouse, und Graf Jsoard von Die, Raimund
Palet, Wilhelm von Sabran, der Bischof von Albara und viele
andere Edle, deren Namen und Zahl keine Geschichte uns überliefert.
Diese zogen alle einmütig in vereinten Scharen, bis an die Zähne
bewaffnet, mitten durch die Stadt und richteten ein furchtbares
Blutbad an. Denn die, welche dem Herzog und den Seinigen
entkommen waren und glaubten, dem Tode gänzlich entflohen zu
sein, wenn sie fliehend sich nach anderen Seiten wendeten, stießen
nun auf diese. So erlagen sie einer noch größeren Gefahr, und der
Scylla ausweichend, stürzten sie in die Eharybdis. Die Nieder-
metzelung der Feinde und das Blutvergießen war so groß, daß es
selbst den Sieger mit Ekel und Schauder erfüllen konnte.
20. Die Bürger begeben sich in die Vorhalle des Tempels.
Tankred verfolgt sie dorthin. Zahllose Feinde werden
dort getötet und endloses Blut vergossen.
Der größte Teil des Volkes hatte sich in die Vorhalle des Tempels
geflüchtet, weil dieser in einem abgelegenen Teile der Stadt zu sein
schien, auch mit einer Mauer, mit Türmen und stärkeren Toren be¬
festigt war. Aber diese Flucht brachte ihnen keine Rettung; denn
gleich begab sich Herr Tankred mit einem sehr großen Teile des ge¬
samten Heeres dorthin. Er brach mit Gewalt in den Tempel ein,
und nachdem er Unzählige niedergehauen, soll er unermeßliche Men¬
gen von Gold, Silber und Edelsteinen von dort mit sich weggenommen