— 94 —
gegen ihn werden, er hätte ihn vielleicht gar wieder
lieben können; aber jetzt ! Nicht allein durch¬
kreuzte der Prinz durch seine eigenmächtige Abreise von
Löwen alle Pläne des Vaters, sondern er hatte jetzt sogar
durch sein unbegreifliches Vorgehen den Verdacht auf
sich geladen, ketzerischer Lehre anzuhangen, und das allein
schon galt in den Augen des Herzogs als ein todes¬
würdiges Verbrechen.
Die Stimmung des Gebieters konnte im Schlosse
von Wolfenbüttel nicht lange verborgen bleiben; ängstlich
wichen die Diener ihm aus, denn es war nicht geraten,
dem Herzog in den Weg zu treten, wenn er grollte.
Aber es wurde auch nur zu bald bekannt, welches die
Ursache seines Unmutes war, und da glaubten denn viele
niedere Geister, sich seine Gunst zu erschmeicheln, wenn
sie ebenfalls dem Prinzen, dessen Ankunft stündlich er¬
wartet werden konnte, unfreundlich begegneten.
Unbekümmert um das Ungewitter, das über seinem
Haupte sich zusammenzog, eilte indessen Prinz Julius dem
väterlichen Schlosse zu. Er mochte noch immer die Hoff¬
nung nicht aufgeben, daß sich noch alles zum Guten
wenden werde, obgleich die Unterredung mit dem Abt
Andreas diese Hoffnung sehr herabgemindert hatte. Als
er aber aus den Schloßhof trat, konnte er es schon inne
werden, daß es dem Abt Lambert nur zu wohl gelungen
war, ihm das Herz des Vaters noch mehr zu entfremden.
Wenn sonst die Dienerschaft, sobald ein vornehmer Gast
durch das Schloßportal ritt, eiligst herbeikam, die Zügel
des Pferdes zu ergreifen und es zu halten, rührte sich
jetzt niemand von der Stelle, um ihm, dem Prinzen,
diesen Dienst zu erweisen, und es bedurfte seines Zurufes,
um endlich einen der Diener zu bewegen, das Pferd in
den Stall zu führen. Als er dann in das Schloß ein¬
trat und unangemeldet geradeswegs in die Zimmer seines
Vaters gehen wollte, kam ihm sein ältester Bruder
Magnus entgegen. Julius eilte auf ihn zu, in der Ab¬
sicht, ihn brüderlich zu begrüßen; aber Magnus wich
ihm aus. Da flammte jähe Zornesröte auf in dem Ge-