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wie es mein Schwager Johann von Küstrin ist. Ich bin
lutherisch, ich habe es erkannt, daß die alte Kirche ein
Reich von dieser Welt, ein antichristliches Reich ist. Und
nun macht mit mir, was Ihr wollt. Gebt Eurem Lande,
gebt dem deutschen Reiche das Schauspiel, daß im Lande
der Welfen, wo bislang, zu den Zeiten der Väter, die
Freiheit eine Stätte hatte, ein Herzog seinen eigenen
Sohn wie einen Ketzer verurteilen läßt; aber gebt Euch
nicht der eiteln Hoffnung hin, mich wankend zu machen
in meinem Glauben!"
Wie vernichtet sank der Herzog auf einen Sessel bei
diesen Worten seines Sohnes. Er hatte es ja geahnt,
daß dieses der wahre Grund der Abneigung gegen seine
Pläne war; aber dieses unumwundene Bekenntnis aus
dem eigenen Munde seines Sohnes traf ihn dennoch wie
ein Donnerschlag. Also alle seine Strenge, seine Wach¬
samkeit war vergeblich gewesen, sogar bis in sein Haus,
in seine Familie war die Ketzerei gedrungen! O das
war eine entsetzliche Entdeckung für ihn, der mit allen
Fasern an der alten Kirche hing. Er bedeckte die Augen
mit der Hand; gewaltig arbeitete es in seiner Brust.
Was sollte er thun? Sollte er die Strenge, die er
bisher gegen die offenbaren Ketzer und Abtrünnigen
angewendet hatte, jetzt auch anwenden gegen den eigenen
Sohn? Er liebte ihn zwar nicht — aber er war doch
sein Sohn, sein eigen Fleisch und Blut. Und was sagten
die Reichssürsten, was sagte der Kaiser dazu, wenn er
zum Aeußersten schritt? Doch nur kurz war der Kampf,
den er kämpfte. War er nicht Herr in seinem Lande,
konnte er nicht thun und lassen, was er wollte? Julius
sollte es fühlen, daß es nicht wohlgethan war, ihm, dem
Herzog, zu trotzen. Stellte er sich ihm entgegen — wohl,
so mußte er fallen!
Nachdem er diesen Entschluß gefaßt hatte, stand er
auf, näherte sich dem Glockenzuge und klingelte. Alsbald
öffnete sich eine Thür, und mit tiefer Verbeugung
trat ein Diener herein, sich nach dem Befehle des Herrn
erkundigend.