Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

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„Betrachte Dich von jetzt an, lieber Bruder, als 
ein Glied meines Hauses", sagte er zu ihm. „Will's 
Gott, so soll die Flucht vom Vaterhause noch zum Segen 
für Dich werden. Es hätte mir leid gethan, wenn Dein 
Vater, der Herzog, seinen Willen bekommen hätte und 
Du ein Pfaffe geworden wärest. Nicht, als ob ich das 
Amt eines Predigers des göttlichen Wortes verachten 
wollte — da sei Gott vor! Aber ein messelesender Pfaffe 
ist mir ein Greuel. Faule Bäuche giebt's leider über¬ 
genug im deutschen Vaterlande; ein Prinz aus einem 
der edelsten Geschlechter Deutschlands ist zu gut dazu, ihre 
Zahl vermehren zu helfen. Ein Ritter sollst Du werden, 
ein Kriegsmann, wie es sich ziemt für einen Prinzen 
aus dem ruhmgekrönten, erlauchten Hause der Welfen". 
Gerührt ergriff der Prinz die dargebotene Hand 
seines Schwagers. „Habe Dank, herzinnigen Dank", 
stammelte er, „für die guten Worte, die Du zu mir ge¬ 
redet. O wie oft habe ich meinen Vater um das gebeten, 
was Du mir jetzt bietest; wie oft habe ich ihn an¬ 
gefleht, mir ein Schwert, einen Panzer, ein Pferd zu 
geben, damit ich nach Art meiner Altersgenossen mich 
übte in den Waffen. Dann aber hieß es stets: „Es 
geht nicht an, Dir Deinen Wunsch zu erfüllen; Du bist 
ein Krüppel, der froh sein kann, wenn eine Pfründe für 
ihn beschafft wird". O wie mir solche Worte ins Herz 
schnitten! Es ist ja leider, leider wahr, daß ein körper¬ 
licher Fehler mich entstellt; aber war es edel, diesen 
Fehler, an dem ich doch unschuldig bin, mir immer und 
immer wieder vorzuhalten? Ich fühle Kraft in meinem 
Arm, und wenn ich auf dem Pferde sitze, so soll niemand 
sagen, daß ich nicht fähig bin, mich als Krieger in die 
Reihen zu stellen. Versuche es mit mir; gieb mir Ge¬ 
legenheit, meine Kraft zu üben und meine Tapferkeit zu 
erproben, und wenn es sich dann erweisen sollte, daß ich 
nicht fähig bin, zu halten, was ich versprochen, dann 
will ich dem Vater folgen, dann will ich hingehen und 
ein Priester werden, oder ich will mein elendes Leben 
vergraben hinter den Mauern eines Klosters!"
	        
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