Object: Das Mittelalter und die neue Zeit bis 1648 (Teil 2)

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ergebener Anhänger er war, zur Herrschaft gekommen. Geistig hoch begabt, 
begeistert für die Kirche, von starkem, unbeugsamem Willen, hatte Hilde- 
brand als Berater von fünf Päpsten mit ganzer Kraft an der Stärkung 
der päpstlichen Macht gearbeitet. Er beabsichtigte die Kirche zunächst von 
der weltlichen Gewalt frei zu machen, dann aber sie zur Herrschast über 
diese zu erheben. In dem darüber zu erwartenden Kampfe mit dem 
Kaisertum suchte er eine Stütze an den Normannen in Unteritalien, an 
der Markgräfin Beatrix von Tuscien und ihrer Tochter Mathilde in 
Mittelitalien und an den aufstrebenden lombardischen Städten in Ober- 
italien. Schon im Jahre 1059 wurde durch seinen Einfluß auf einer 
Synode zu Rom die Papstwahl neu geordnet, indem sie den Kardi- 
nälen, d. h. den Bischöfen (7) des römischen Sprengels, den ersten Geist- 
lichen (28) der römischen Hauptkirchen und den Diakonen (18) der römischen 
Hospitäler, übertragen wurde. Die anfangs noch beibehaltene kaiserliche 
Bestätigung wurde später beseitigt. Im Jahre 1073 bestieg Hildebrand 
selbst als Gregor VII. (1073—85) den päpstlichen Stuhl. Die Bestätigung 
seiner Wahl durch Heinrich IV. ist die letzte, die ein deutscher König erteilt 
hat. Als Papst erneuerte Gregor auf einer Fastensynode zu Rom im Jahre 
1075 das Verbot der Simonie, erließ serner das Gesetz des Cölibats 
für alle Geistlichen und untersagte diesen die Investitur durch Laien 
(S. 58). Die strenge Durchführung dieser Beschlüsse sollte die gesamte 
Geistlichkeit von allen weltlichen Banden loslösen und der unbedingten 
Herrschaft Roms unterstellen. 
Der Beginn des Jnvestiturstreits. Durch das Verbot der Laien- 
investitur, wonach die Kirche aufhören sollte, Staatskirche zu sein, beschwor 
der Papst Gregor VII. einen unabsehbaren Kampf mit der weltlichen Macht 
herauf, deren bisher ausgeübte Befugnisse hierdurch erheblich verkürzt 
wurden. Der erste, mit dem er seine Kraft maß, war der bisherige 
Schirmherr der christlichen Kirche des Abendlandes, der deutsche König 
Heinrich IV., der durch das Verbot der Laieninvestitur seine Rechte und 
die Existenz des deutschen Reiches bedroht sah. In Deutschland war es 
bislang Brauch gewesen, daß die Äbte und Bischöfe nach ihrer Ernennung 
durch den König mittelst Überreichung von Ring und Stab mit Amts- 
und Fürstengewalt bekleidet wurden. Der Ring ist das Zeichen der Ver- 
mählung des Bischofs mit seiner Gemeinde, der Stab das des Hirtenamts. 
Durch Verleihung dieser Abzeichen verlieh der König also auch die geist- 
liche Amtsbefugnis. Heinrich kümmerte sich nicht um die Beschlüsse der 
Fastensynode von 1075 und fuhr fort, aus eigener Macht Bischöfe ein- 
zusetzen. Da richtete Gregor an ihn ein in überlegenem Ton abgefaßtes
	        
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