Full text: Der Abt von Amelunxborn (Bd. 1)

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chen eine dickbauchige Flasche entnommen und schenkte aus der¬ 
selben ein kleines Spitzglas voll, das er alsdann prüfend gegen 
das grauende Morgenlicht hielt. Es funkelte wie eitel 
Gold und kleine Perlen stiegen vom Boden des Glases 
empor und setzten sich am Rande desselben fest. Er 
reichte es dem Mönche und sagte: „Trinke, lieber Bru¬ 
der, das erwärmt. Ich habe selbst, als ich vor einigen 
Jahren eine Reise nach Frankreich machte, einige Flaschen 
dieses köstlichen Trankes von dem Abt des Klosters zu 
Fscamp geschenkt erhalten. Ja, die Benediktiner dort 
am Seinefluß verstehen sich darauf, die Heilkräfte aus 
den Kräutern zu pressen und daraus ein Tränklein zu 
bereiten, das besonders uns Alten wohlthut. Als die 
groben Braunschweiger Ketzer, die Gott verdammen möge, 
mich aus der Ruhe meines Klosters vertrieben, ist es 
mir nur gelungen, diese einzige Flasche zu retten; die 
anderen habe ich leider zurücklassen müssen. Möchten sich 
doch die Räuber den Tod daran trinken!" 
Mit Wohlbehagen schlürfte der Mönch, der die Ehre, 
von einem so frommen und hochgelehrten Herrn, wie Abt 
Lambert es war, bedient zu werden, wohl zu würdigen 
wußte, den feuerigen Trank. Dann schüttelte er sich, 
schnalzte mit der Zunge und sagte: „Hochwürdiger Vater, 
habet Dank für Eure Freundlichkeit, vie Ihr mir armen, 
unwissenden Klosterbruder erzeiget. Ja, Ihr habt nicht 
unrecht; wenn man, wie ich, den Siebenzig nahe ist, so 
thäte einem wohl bisweilen ein wenig mehr Ruhe gut. Aber 
dieNachtwachen wollte ich mir allenfalls noch gefallen lassen, 
wenn nur andere Auflegungen einem erspart blieben!" 
„Ja, das glaube ich," erwiderte Abt Lambert mit 
einem Seufzer. „Dein Amt, lieber Bruder, ist ein schweres, 
und es wäre wohl bald Zeit, daß Abt Vitus Dir einen 
Nachfolger gäbe. Besonders muß es Dein frommes Ge¬ 
müt ergreifen, wenn Du, was ja auch wohl vorkommt, 
einen verstockten Sünder Pflegen mußt, dessen Geist nur 
mit weltlichen Dingen sich beschäftigt. Einem solchen 
Ketzer läßt der Teufel selbst in der Krankheit keine Ruhe, 
und von seinen Lippen strömen Worte, die das Ohr eines
	        
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