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zu thun, wenn er ihn mit ausreichenden Geldmitteln
versah, um in der berühmten niederländischen Universitäts¬
stadt als ein Prinz aus dem Hause Braunschweig aus
treten zu können; im übrigen aber bekümmerte er sich
wenig um ihn. War ihm doch bereits vom Kaiser eine
Domherrnstelle für den Sohn zugesagt — und hatte
Julius die erst inne, so konnte es, bei seiner hohen Ge¬
burt, nicht fehlen, daß er auch bald einen bischöflichen
oder wohl gar erzbischöflichen Stuhl bestieg. Das war
genug für einen Prinzen, den ein körperliches Uebel, wie
der Vater glaubte, verhinderte, jemals die Waffen zu
tragen. Freilich schließt ja die römische Kirche nach
altem Herkommen alle diejenigen, die körperliche Gebrechen
haben, von den höheren kirchlichen Weihen aus; aber
wann jemals hätte diese Kirche nicht Ausnahmen gemacht,
wenn es sich darum handelte, den Mächtigen zu Ge¬
fallen zu sein und dadurch das Ansehen der Kirche zu
heben?
Bei diesem ganzen, so klug ausgedachten und so
wohl vorbereiteten Plane des Herzogs Heinrich war nur
zu bedauern, daß einer da war, der im Grunde des
Herzens demselben widerstrebte, wenn er bis jetzt auch
noch nicht gewagt hatte, sich zu widersetzen, und das war
kein geringerer als Prinz Julius selbst. Mit Wider¬
willen betrieb er die ihm aufgezwungenen Studien; der
Gedanke, ein Pfaffe werden zu müssen, war ihm uner¬
träglich. Ihn verlangte vielmehr nach ritterlichen Uebungen,
zu denen er sich 'kräftig genug fühlte. Konnte er auch
leider seine Füße nicht so gebrauchen, wie er wohl wollte,
so war er doch ein ganzer Mann, sobald er ein Pferd be¬
stieg. Der Hauptgrund seiner Abneigung gegen das geist¬
liche Studium jedoch war, daß in seinem Herzen Zweifel
an der unbedingten Wahrheit der Kirchenlehre entstanden
war. Der Zufall hatte ihm die Schriften Luthers, Me-
lanchthons und der übrigen Wittenberger Reformatoren in
die Hände gegeben; er hatte das, was er dort gefunden,
mit den Worten der Bibel verglichen, und jemehr er über
diese ernsten Dinge nachsann, desto mehr wurde es ihm