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Thronbesteigung am herzoglichen Hofe in Rouen gelebt, kannte den
Herzog Wilhelm persönlich und hatte eine große Vorliebe für ihn
und alle Normannen.
Als Eduard 1066 starb, bemächtigte sich Harald, der reichste
nnd mächtigste der englischen Großen, des Thrones und wurde all¬
gemein anerkannt. Wilhelm fuhr zornig aus und verlangte Abtre¬
tung des Thrones, und da Harald die Forderung abschlug, so rüstete
er sich. Die Normannen waren die tapfersten Krieger jener Zeit;
außerdem boten die kriegslustigen Ritter anderer Länder dem Her¬
zoge ihre Dienste an. Auf einer zahlreichen Flotte setzte dieser
nach der Südküste Englands über und landete glücklich. Als er
ans Ufer sprang, fiel er. „Ein übles Vorzeichen!" murrteu die
Umstehenden. Aber er faßte sich schnell und ries, als wenn er ab¬
sichtlich sich hingeworfen hätte: „So nehme ich von diesem Lande
Besitz!"
Harald eilte herbei. Es kam zu einer blutigen Schlacht bei
Hastings au der Südküste Englands (1066). Die Normannen
gewannen einen großen (Sieg; Harald fiel mit zweien seiner Brü¬
der und einem großen Teil der sächsischen Ritterschaft. Wilhelm
der Eroberer — so wurde er nun genannt — wurde nun ohne
Widerspruch König von England. Er war ein kräftiger Mann
mit einer starken Seele, aber rauh, stolz und hart. Anfangs re¬
gierte er streng gerecht; er duldete keine Unordnung, suchte Nor¬
mannen und Engländer durch Heiraten einander näher zu bringen
und horte jeden Untertan an. Aber das änderte sich bald, als er
nach der Normandie zurückreiste. Die nach England übergesiedelten
Normannen ließen die unterworfenen Engländer ihren Übermut
nun auch die Mutter zu morden, wie er den Vater in die Grube gebracht
habe. Außer sich sank er auf die Knie nieder und flehte sie an, ihren und des
Paters Fluch von ihm zu nehmen. „Ich selbst", antwortete sie, „will dir
nicht fluchen; aber den Fluch deines Vaters kann nur die Kirche aufheben. An
diese wende dich, aber erst bessere dein Leben und versöhne dich durch Reue
und Buße mit dem Himmel." Robert entsagte sogleich allen Fehden, ließ seine
Bande auseinandergehen, legte ein härenes Gewand an und pilgerte nach Je¬
rusalem, um seiner Sünden quitt zu werden.
Meisterwerke. Bd. VIII. Nösselt, Weltgeschichte II. 7