Stahl: Die Revolution und die konstitutionelle Monarchie. 93
willens (wie in einer Sozietät), sondern Kraft ihres Rmtes,
Kraft der Staatsordnung, die da ein höheres ist über dem
Volke, und ist es ihre rechtliche Stellung und ihre sittliche
Pflicht, nicht dem willen ihrer Wähler zu folgen, sondern
dem Gesetze und ihrem Gewissen und ihrer Einsicht über
das öffentliche wohl.
Allerdings hat das Prinzip der Volkssouveränität zu
seinem notwendigen Ergebnis die Forderung absoluter
Demokratie als Staatsform, weil sie die geeignetste ist, den
Willen der numerischen Mehrheit in perpetuierlicher5 Weise
zur Geltung zu bringen. Allein diese absolute Demokratie
ist deshalb doch keineswegs dasselbe mit Volkssouveränität
und nicht unabtrennbar von ihr, sondern kann auch be¬
stehen und gefordert werden ohne Volkssouveränität. Es
ist Volkssouveränität (in konsequenter weise) nicht denkbar
ohne die äußerste Demokratie; aber es ist die äußerste
Demokratie wohl denkbar und möglich ohne Volks¬
souveränität ; ein Beispiel des letzteren geben die Indepen¬
denten in Amerika. Es ist nun die absolute Demokratie
einerseits in größeren Staaten nicht ausführbar, da es hier
zum mindesten doch der Repräsentation durch Abgeordnete
bedarf, die ja dem unmittelbaren Willensausdruck der
Mehrheit niemals gleichkommen, und sie ist andererseits,
wenn sie als allgemeine Lehre und Forderung aufgestellt
wird, wie eben von den Independenten, gleichfalls ver¬
werflich, weil sie die gegliederten Verhältnisse, den Schutz
der verschiedensten Interessen und Berufsstellungen und vor
allem gerade die erhabene Institution einer sichtbar über
dem Volke stehenden Obrigkeit und Majestät ausschließt.
Allein in bestimmten Staaten unter den entsprechenden Ver¬
hältnissen ist die absolute oder vielmehr die möglichst ge¬
steigerte Demokratie eine völlig rechtmäßige und tadellose
(Einrichtung.
Darum ruht auch nie eine Verfassung auf Volks¬
souveränität und kann nie auf ihr ruhen. Wenn es in