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49. Auf dem alten friedhofe. 
Im nördlichen Stadtteile von Freiburg, mitten in den vornehmen 
Anlagen der Neuzeit, liegt ein stiller, ernster Garten. Ein altes, grün 
umsponnenes Mäuerlein trennt ihn von der heiteren Umgebung. Akazien 
und Ahornbäume, Thuja und Trauerweiden werfen ihre kühlen Schatten 
auf Denksteine und trauerndes Bildwerk. Kunstvoll geschmiedete Kreuze 
stehen zwischen bescheideneren von Holz. Alle diese Erinnerungszeichen, 
sie mögen noch so prunkvoll oder noch so schlicht seht, sind geweiht von 
Seufzern und Tränen. Um die Stätten des Todes aber blüht die Natur 
und scheucht die Leidgedanken hinweg. Ep Heu und Immergrün umranken 
die Denkmale der Liebe und Freundschaft. Nesede und Rose duften über 
den Gräbern, oder es haben sich Maßliebchen und blaue Glockenblume 
angesiedelt. Wie schön ist doch Frei bürg s alter Gottesacker! Hier gab 
man den Abgeschiedenen ihren Ruheplatz, bis die Stadt am Allerheiligen¬ 
tage 1872 im Nordwesten ihrer Gemarkung einen neuen größeren Fried¬ 
hof eröffnete, auf dem nach fünfundzwanzig Jahren die prächtige Einsegnungs¬ 
halle, 33 Meter hoch, errichtet worden ist. 
Im Vergleich zu diesem Bauwerk nimmt sich das Michaelskirchlein 
ans dem alten Gottesacker gar einfach ans; aber man muß es immer 
wieder anschauen, die Vorhalle mit den eingemauerten Grabsteinen, den 
Giebel, das freundliche Ziegeldach. Vor allem aber die Bilder im Vor¬ 
raum, auf denen man sieht, wie dem Gevatter Tod alles untertan ist: 
das Kindlein und der Greis, der Geizhals und der Bettler, Priester und 
Ackerbauer. Der Seuseumann geht in eigentümlich hüpfender Bewegung 
einher, uud daher kommt es wohl auch, daß mau solche Darstellungen einen 
Totentanz nennt. Sinnige Reimsprüche geben zu jedem dieser hellfarbigen 
Gemälde eiue Erklärung. Ein Freiburger Bürger hat die finnigen 
Malereien im Jahre 1756 gestiftet. Das Kirchlein selbst ist älter; der 
Friedhof war noch früher da. Vor der Kapelle sieht man ein hohes Kreuz 
mit einer Christnsfignr und am Fuße desselben einen Totenkopf, von 
dickem Nagel durchbohrt. Es knüpft sich an dies seltsame Bildwerk die 
Sage von schwerer Mordtat eines ungetreuen Weibes. 
Viele verdienstvolle Männer haben auf dem alten Freiburger Gottes¬ 
acker ihre letzte Ruhestätte gefunden, weltliche unb geistliche Würdenträger, 
große Gelehrte unb Künstler und tüchtige Kaufleute. Mancher Name ist 
auf Säule oder Marmorplatte eingegrabett, den die Welt noch heilte mit 
hoher Verehrung nennt. An der südlichen Mauer schläft seit über siebzig 
Jahren Karl v. Rotteck, ein tapfrer Volksmann, Hochschullehrer und 
Geschichtschreiber. Mächtig sprach sein geschriebenes und gesprochenes Wort 
zu den Zeitgenossen. Er war ein Sohn unserer Stadt, die ihm vor seinem 
Wohn- und Sterbehaus beim Colombigarten ein Denkmal errichtete, so daß 
der Fremde die Büste des berühmtesten Freiburgers betrachten kann, gleich 
wenn er vom Bahnhöfe kommt.
	        
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