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sich an den berühmten Dürer um Rat und Unterstützung. Dürer ant¬
wortete: „Ruft den Hans Liefrink zurück, und er wird Euch ein Kunst¬
werk liefern, würdig Eures Münsters und Eurer Stadt!" Auf diese
Empfehlung hin erhielt Hans Liefrink den ehrenvollen Auftrag. Er fertigte
zuerst einen Entwurf, und nachdem dieser die Billigung Dürers gefunden
hatte, konnte mit der Arbeit begonnen werden. Nun hielt der Künstler
den Zeitpunkt für gekommen, seine. Brautwerbung zu wiederholen. Eine
abschlägige Antwort konnte der Vater nun beinahe nicht mehr geben; doch
sagte er: „Gut! mag der Liefrink einen Altar bauen, der höher ist als
die Kirche, so soll er mein Jawort haben." — Wahrlich, es klang dies
alles eher als ermutigend, denn wie sollte es gemacht werden, daß ein
solcher Altar im Gotteshaus Platz hatte? Trotzdem schlug der Künstler
ein, auf Gott und sein Glück vertrauend. Russacker aber hielt die Er¬
füllung der gestellten Aufgabe für unmöglich und hoffte jetzt den unbequemen
Freier für immer los zu sein.
Es geschah nun, daß Liefrink am Abend seine Braut im väterlichen
Garten traf. Wie er ihr von dem unerwarteten Hindernis erzählte, blieb
er plötzlich vor der uns bekannten Nische mit dem Ausruf stehen: „Was
sehe ich, welche Lösung bietet sich mir hier dar?" Der Rosenstock war
inzwischen so in die Höhe gewachsen, daß seine weitere Ausdehnung nach
oben durch den Schlußbogen der Nische gehindert wurde und bie letzten
Zweige sich nach vorn umbiegen mußten. Wie eine Offenbarung erging
es über ben jungen Künstler; er wußte jetzt, daß er die Spitze seines
Altares ebenso im „Frauenschuh", wie es die Kunst bezeichnet, umbiegen
müsse, dann werde er ihn höher als bie Kirche machen können.
Dabnrch würbe ber kluge Schwiegervater überlistet, und es gab
jetzt kein Ausweichen mehr. Als am 15. August 1576, am Tag Maria
Himmelfahrt, die Hülle fiel und der in Spätgotik aus Liudenholz aus¬
geführte Hochaltars ein Holzschnitzwerk ersten Ranges, der andächtig har¬
renden Gemeinde übergeben wurde, da mußte sich Rat Ruffacker für besiegt
erklären und seine Einwilligung zur Trauung der beiden Liebenden geben.
In der Kirche in Niederrotweil befindet sich eine Kopie des Mittel-
stückes des Breisacher Hochaltars. Man behauptet, es sei ber Entwurf
zu bemselben. H-
öo. vas Brautbrünnlein.
Brigitte von Lanbeck war mit einem Ritter von Sponeck verlobt.
Als bie Abgesandten des Ritters sie zur Hochzeit abholten, ließ die gute
Mutter bes Fräuleins einen Wagen' mit Brot unb anberen Gaben für
die Armen nachfahren. Währenb ber Fahrt war bas Wetter so schlecht,
daß bas Fräulein ganz böse b(trüber würbe unb in ihrem Ärger verbot,
den Armen, bie beut Zuge folgten, irgeiib etwas von ben Gaben zu ver-