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von den Gassen heim. Das war die sogenannte „Lurnpeuglocke", die aber
seit ungefähr 40 Jahren ihren Dienst eingestellt hat.
Zwischen dem „Aveläuten" in der ersten Morgenstunde und dem
Agathaläuten abends um 9 Uhr hört man gar oft die Glocken des Münsters.
Da läutet es in die Frühmesse um 6 Uhr mit dem kleinen „Silberglöckle",
dann mit zwei Glockeu iu das „Frauenamt" um 7 Uhr; um 8 Uhr ruft
ein kleines, auf dem südlichen Querschiff in einem Dachreiter hängendes
Glöcklein zur Achtuhrmesse, um 9 Uhr hört mau wieder mehrere Glocken
zum Hochamt laden. Dann läutet um 12 Uhr die „Maria" den eng¬
lischen Gruß, den morgens und abends der „Paulus" verkündet. Wenn
jemand in der Münstergemeinde gestorben ist, so gibt der „Jakobus" das
„Scheidzeichen", und am Nachmittag ruft dann „Johannes" den letzten
Gruß zum Begräbnis hinaus.
So leben und reden die Münsterglocken tagein tagaus mit den
Bürgern der Stadt. Früher sprach besonders die alte „Susanne" noch
öfters als heute ein ernstes Wort. Das war, wenn Kriegsgefahr oder
Feuersnot die Bürger erschreckte. Noch wissen alle, die in der Altstadt
groß geworden, von dem schaurigen Ton zu melden, den die Susanne
von sich gab, wenn es „stürmte". Dann wurde sie nämlich nicht mit
dem Seil in Schwingung gebracht, sondern der Glöckner schlug mit einem
großen Hammer von außen auf ihren Schallring und dieses nannte man
„stürmen", und es war, zumal in der Nacht, ein Schrecken, wenn man
es nur hörte. Jetzt hat das aufgehört, und die „Feuermelder", die au
allen Straßenecken angebracht sind, rufen heutzutage die Feuerwehr, wenn's
irgendwo brennt.
Am fröhlichsten tönen die Stimmen der Münsterglocken am Sonntag
und gar an den hohen Feiertagen. Das ist ein Singen und Jubeln, wenn
an Ostern zum Beispiel oder an Pfingsten der Erzbischof in reicher Ge¬
wandung, mit Mitra und Stab, aus feinem Hause tritt, die Münster-
geistlichkeit mit leuchtenden Gewändern und brennenden Kerzen, mit Kreuz
und Weihrauch ihn abholt und zum Münster geleitet, und ringsum das
Volk in Scharen herbeieilt. Da tönen gleich sieben Glocken auf einmal
vom Turme hernieder, anhebend mit dem dünnen Tone der kleinen Glocken
und durch die mittleren Klänge hinabsteigend bis zum machtvollen Grund-
ton des großen Christus. Einmal im Jahr kannst du dieses große Geläute
sogar des Nachts hören: das ist in der Neujahrsnacht, wenn es zwölf Uhr
schlägt. Da schallt das Münsterläuten wie ein Dankeslied zum Himmel
empor, und von allen Kirchen und Türmen der Stadt fallen die Glocken
ein und erfüllen tue Nacht mit heiligen Klängen.
Vom^Tnrm herab ans heiliger Höhe kommen die Stimmen der
Glocken. So rufen sie wie aus einer anderen Welt jahraus jahrein in
die Niedrigkeit des täglichen Lebens hinein und lenken des Menschen
Sinnen und Denken empor zum Himmel, nach welchem der Turm hinauf¬
zeigt wie ein mahnender Finger. Engelbert Krebs.