Full text: Der Große Kurfürst - Friedrich der Große (Bd. 1)

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grauen der höchsten Stände, sich durch selbstthätige Wirtschaftlichkeit guten Ruf 
zu erwerben. Tie Hausfrau war selten, die nicht mit ihren Töchtern und 
Mägden mehr beim Spinnrocken als anderwärts verweilte. Es hätte einer 
jeden als Schande gegolten, ihr Leinen und Tischzeug nicht selbst zu verfertigen; 
die meisten Mädchen hatten davon vor der Hochzeit so viel zusammengebracht, 
daß sie iu der Ehe keinen Groschen dafür zn verwenden brauchten. 
Unverzärtelt und unverdorben, in der Furcht Gottes und der Eltern wuchs 
i>as junge Geschlecht heran. Tie einfache, gesunde Kost und Lebensart gaben 
feste und dauerhafte Körper. Man trank wenig Branntwein und Wein, aber 
vortreffliches inländisches Bier, z. ib. Peruaner nnd Ruppiuer. Kaffee ward in 
Berlin nur an zwei Orten geschenkt; er war sehr teuer und nur als Leckerei 
bekannt. Auch das Tabakrauchen hatte noch wenig Verbreitung, obwohl es in 
der Mais schon durch englische Truppen, die dem Böhmenkönig Friedrich zn 
Hilfe zogen, bekannt geworden war. Dagegen kam besonders durch die fran¬ 
zösischen Einwanderer das Schnupfen in die Mode. Kartoffeln oder, wie sie 
damals hießen, Erdnüsse waren aus der kurfürstlichen Tafel zu Berlin erschienen. 
Abei man gab wenig ans die Frucht. In größerem Umfange pflanzte man sie 
in Berlin erst seit dem xsahrc 1728 und zwar bei der Eharite an; sie dienten 
• jedoch nur als Viehfutter. 
Auch die Vergnügungen des Volkes waren sehr einfach und beschränkten 
sich ans Privatgesellschaften; selbst hohe Familienfeste, wie Hochzeiten und Kind- 
taufen, wurden ohne Pracht und Prunk gefeiert. Öffentliche Schauspiele ge¬ 
währten nur die Musterungen der Regimenter, die zahlreichen Hinrichtungen 
und anderen öffentlichen Strafen. Die Schauspieler waren verachtet und in 
der -that alles eher als Künstler; sie führten geschmacklose Singspiele nnd an¬ 
dere Vorstellungen auf, an denen die rohen, plumpen Späße des pöbelhaften 
Hanswurst die Hauptsache waren. Außerdem gab es eine Menge von Markt¬ 
schreiern, Taschenspielern und Gauklern, die auf den Märkten das Volk be¬ 
lustigten. 
Tie öffentliche Gottesverehrung übte der König selbst anfs genaueste und 
hielt streng daraus, daß wenigstens alle, die in seinem unmittelbaren Dienst 
standen, fleißig in die Kirche gingen. Übrigens war der kirchliche Sinn im 
Volke ohnehin festgewurzelt. 
Vielleicht in feinem andern Stücke war der Umschwung der Sitte, der 
nach Friedrich Wilhelms Thronbesteigung in Preußen eintrat, so auffallend, als 
in der äußeren Erscheinung der Menschen. Das Schminken und Malen der 
Gesichter und das Pudern hörte auf. Statt des Haarbeutels trug man den 
vorn Könige beim Militär eingeführten Zopf. Aller Luxus in der Kleidung 
nahm ein Ende. 
Die flitterhafte Pariser Mode kam in Verrns, die einfache deutsche in Aus- 
nähme, oder vielmehr es bildete sich eine eigene preußische Mode auch für die 
Kleidung. Sie war äußerst reinlich und schmucklos, die Farbe gewöhnlich blau,
	        
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