Full text: Der Große Kurfürst - Friedrich der Große (Bd. 1)

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wenigen Wochen noch mit vollem Recht als Kriegserklärung bezeichnet hatte, 
bewog ihn jetzt nur zu einer am 18. beförderten Anfrage bei der Kaiserin nach 
dem Zwecke der Truppenbewegungen. 
Ta sendete ihm am 20. und 21. Juli sein Gesandter im Haag, von der 
Hellen, Berichte des holländischen Gesandten in Petersburg, van Swart, von 
dem man wußte, daß er im tiefsten Vertrauen mit den russischen Ministern 
lebte. Da verbreitete sich mit einem Male Klarheit über alle Vorgänge der 
letzten Monate, die man nur mühsam und doch richtig hatte zusammenreimen 
können. Aber es war eine Klarheit, deren Strahlen jeden anderen als König 
Friedrich blenden mußten, es war die Gewißheit über den festen Entschluß der 
beiden Kaiserinnen und Kursachsens, unter Zustimmung vou Frankreich ihn mit 
wenigstens 230 000 Mann anzugreifen und mit der Übermacht der vereinigten 
Kräfte Frankreichs, Rußlands, Österreichs, Sachsens, denen das Reich sich an¬ 
schließen sollte, ihn zn zerschmettern. Lediglich und durchaus nur wegen der 
militärischen Unfertigkeit habe man den Angriff bis zum nächsten Frühjahr ver¬ 
schoben. Es war das schlimmste Konzert der Welt, mit vollster Sicherheit ans 
Friedrichs Untergang berechnet, und wer wollte es nicht gerechtfertigt finden, 
wenn er solchem Frevelmut zuvorkam? Doch zu tief war er fich der Folgen 
bewußt, die ein Kampf von dieser Ausdehnung haben mußte. Den Gegnern 
mochte es freilich ein Leichtes erscheinen, mit ihrer Phalanx von allen Seiten 
gegen den König anrückend, dies kleine Preußen zu zermalmen, und so mochten 
sie mit leichtem Sinn ein Wetter heraufbeschwören, das sich doch voraussichtlich 
nur über deutsche Fluren entlud. König Friedrich aber war, da die Hoffnung 
aus englische Hilfe ungewiß blieb und sich jedenfalls nach den Erfolgen des 
französisch-englischen Krieges beinaß, so gut wie ohne Bundesgenossen. Allein 
sollte er sich der mächtigsten Staaten Europas erwehren, und wenn jene die 
Aussicht aus Gewinn lockte, so konnte er nur verlieren, im günstigsten Falle 
das Seine behaupten. Er mußte daher alles aufbieten, was dem Frieden 
frommte, und mit der strengsten Gewissenhaftigkeit hat er es gethan. Erst 
wenn die angeknüpften Verhandlungen scheiterten, wenn die Gegner in ihrem 
Taumel sich taub wider die Stimme der Vernunft zeigen sollten, gedachte er 
das auszuführen, was ein jeder an seinem Platz ausführen würde; dann aber 
auch mit einem Gewissen, srei von jeglichem Vorwurf und mit einem voll¬ 
kommenen Vertrauen auf die Gerechtigkeit seiner Sache. Demgemäß wartete 
Friedrich auf die Antwort Maria Theresias, bis er auch nur irgendwie größere 
militärische Zurüstungen traf. Zugleich aber fetzte er alle inländischen und aus¬ 
ländischen Höfe in Bewegung, um den Ruin, dem nicht Preußen allein, sondern 
England und alle Staaten Europas durch das Triumvirat der drei großen 
Kontinentalmächte ausgesetzt seien, zu vermeiden. Und trotz aller weiteren Nach¬ 
richten, die über den bestimmten Entschluß Österreichs uud Rußlands, im nächsten 
Frühjahr das Vernichtungswerk gegen ihn zu beginnen, einlaufen, und trotzdem 
die Antwort der Kaiserin völlig der Frage ausweicht, hofft der König noch
	        
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