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schlossen'? Tod) da stört ihn der Hufschlag von Rossen aus seinen Betrachtungen
aus: zwei Reiter sprengen auf der Leipziger Landstraße von Berlin her auf
ihn zu. Als sie näher gekommen sind, erkennt er in ihnen zwei Freunde, die
mit ihm draußen im Reiche eine ganze Weile umhergezogen sind, aber seit ge¬
raumer Zeit schon wieder die Heimat aufgesucht haben. Sie haben sein Kommen
erfahren und sind ihm entgegengeeilt. Nachdem die Arende des Wiedersehens
ausgekostet ist, wenden alle drei ihre Pferde der Stadt zu. Den Schützenplatz
von Cöllu zur Linken lassend, durd) Felder und Gärten, an Scheunen und den
wenigen Häusern der Leipziger Vorstadt vorüber sprengen sie der Befestigungs¬
linie zu, die fich mit ihren Erdwällen und Gräben, Pallisaden, dreizehn Bastio¬
nen und einem Hornwerf um die Residenzstadt zieht. Über das Glaeis durch
eine Pallisadeureihe reitend und dann auf einer hölzernen Aufzugsbrücke den
Festungsgraben überschreitend, gelangen sie an das prächtige Leipziger Thor.*)
Hier schildert ein kurfürstlicher Musketier, ein Accisebeamter tritt auf die
Reitenden zu und mustert den Paß des Fremden. Derselbe ist in guter Ord¬
nung ; so darf nun Fuchs die heimische Stadt wieder betreten.
Die Reiter wenden sich rechts am Walle entlang. Ta blickt ihnen das
St. Gertraudenstift mit seinen Linden, seinem Kirchhofe, den platten Grabsteinen
und den hölzernen Grabtafeln entgegen. Doch weiter geht’s aus hölzerner
Zugbrücke über deu Schleusengraben, an dem gotischen Bau von St. Peter mit
seinem niedrigen abgestumpften Turm vorüber. Hinter einer Mauer liegen
die Gräber mit platten Leichensteinen; an den Wänden der Kirche zeigen sich
einzelne Denkmäler. Das dreistöckige, Mit Turm geschmückte Rathaus von Cöllu
zur Linken lassend, gelangen die Reiter auf den Cöllnischen Fischmarkt, wo sich
stattlich und prächtig geschmückt das Haus des alten Kriegshelden Derfflinger
erhebt. Auf dein Platze selbst stehen um die Fischkübel und die Fleisd)erscharreu
Cöllnerinnen und Berlinerinnen, um deu Mittagsbedarf zu deckeu. Schon auf
dem Ritte durch die sonst wenig belebten Straßen haben die Reiter ein leb¬
haftes Rennen und Lausen bemerkt, hier strömen schon ganze Scharen über
den Markt durch die Breite Straße dein Schlosse zu. Verwundert sieht Fuchs
auf dieses Gewoge; wie war es doch einst in Cölln so still gewesen! Einer
seiner Begleiter teilte ihm mit, daß eine moskowitische Ambassade heute ihren
Einzug in die Stadt und das Schloß halte; man vermute, daß sie des Kur¬
fürsten Hilfe erbitten solle. Doch den vom Ritte ermüdeten Fuchs drängt es,
in die Herberge zu gelangen. So geht's denn weiter über den Mühlendamm.
Wie hat auch hier sich alles verwandelt! Wohl hört man noch das Rauschen
nordwärts. Nach Westen bildeten einige Bastionen den Abschluß, während die unbefestigte
Nordseite mit dein Laufe der Spree zusammenfiel.
*) Dasselbe stand etwa in der Mitte zwischen Spittelmarkt und Hausvogteiplatz in der
heutigen Niederwallstraße, die mit der Oberwallstraße an dieser Seite deu Zug der Befestiguugs-
lmie kennzeichnet.