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diese gewählten und vom Kurfürsten bestätigten Stadtverordneten ausgeübt
wird. Außer derselben steht der Stadt das niedere Gericht zu; das Urteil
wird durch den Stadtrichter und die Schöppen jetzt bereits meist in der Ge-
richtsstnbe im Rathause gesprochen. Selten nur noch wird die Gerichtslaube
dazu benutzt. Wenn einem Malefikanten die Exekution bevorsteht, wird wohl
die Schöppeubank ans dem Platze vor dem Rathause oder iu der Laube auf¬
gestellt; nach verlesenem Urteil wird der Stab über den Verurteilten gebrochen,
und dieser zur Vollstreckung desselben durch das Georgenthor ((Scfc Neue Fried¬
rich- und Königstraße) auf das Hochgericht, weit im Nordosten vor der Stadt-
nmsassnng, geführt (jetzt etwa Straußbergerplatz). Soldaten werden freilich
noch immer in der Stadt gerichtet; für sie steht der Galgen nicht weit von
der Marienkirche entfernt (Neues Markt). Schnell und hart werden die Ver¬
brecher bestraft; Hausdiebe, die Kasten, Thüren und Spinden erbrochen und
gestohlen haben, werden binnen acht Tagen gehenkt; ebenso ergeht's anderen
Einbrechern; haben sie Waffen mit sich geführt, so werden sie anss Rad ge¬
stochten. Doch, was rottet sich dort das Volk um die Gerichtslaube zusammen?
Welch' markerschütterndes Geschrei durchtont die Mittagsstille? Soeben löst
man einen Verurteilten, der am Pranger unter dem „Kaak"*) der Gerichtslaube
gestanden hat, von dem Eisen, an das er gefesselt war, und treibt ihn unter
dem Stäupen mit dein Stanpbesen durch die Straße zum Spandauerthore hin;
pfeifend und johlend begleitet ihn eine neugierige Menge.
Da tönen die dumpfen Schläge der Uhr — es ist zwölf Uhr. Die
Thüren des Gasthauses „zum Hirsch" öffnen sich, und in fein gefaltetem Wams,
mit stattlicher Halskrause, federgeschmücktem Hut und zierlichem Degen schreitet
unser Konrad Fuchs auf die Gasse. Durch die Georgenstraße (jetzt Königstraße,)
führt ihn sein Weg zum Hause des Bürgermeisters Schardins. Mit breiter,
fenstergeschmückter Front, nicht mehr mit der schmalen Giebelseite, stehen hier
die Häufet: nach der Straße gekehrt; das prächtigste von allen ist doch das
des vielverdienten Ministers von Meinders; sodann mich das der Post an der Ecke
der Georgen- und der Poststraße, ans dessen breitem Thore soeben die mit vier
Pferden bespannte Schnellpost, die den Verkehr mit Hamburg vermittelt, hinaus¬
rollt. Durch die Menge der von dem Einznge der Moskowiter heimkehrenden
Berliner drängt sich Fuchs mühsam bis zum Hause des Bürgermeisters Schardins.
An der Ecke der Georgenstraße und der hölzernen langen Brücke steht es mit
Erker und Türmchen stattlich geschmückt. Auf das schön gezierte Portal tritt
Fuchs zu und setzt den kunstvoll aus Schmiedeeisen gearbeiteten Thürklopfer
in Bewegung. Ein Diener öffnet dem Fremden und führt ihn auf mächtiger
Eichenstiege hinauf in den Empfangsraum, wo der Bürgermeister, ein Freund
*) Der „Kaak" war eine eulenartige Gestalt mit grinsendem und mit Eselsohren ver¬
sehenem Menschenangesicht, die oberhalb der Handeisen in einen Pfeiler der Gerichtslaube
hineingebaut war.