Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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das Land befand sich aber in einer ökonomischen Lage, die selbst diese Last als 
viel zu hoch erscheinen liest. Scharnhorst nahm an, das; die Armee im Frieden 
nicht über 70 000 Mann stark sein könne. Tamil sie mm rasch vermehrt wer¬ 
den könne, schlug er zuerst vor. bei jeder Kompanie einen Offizier mehr als 
nötig war 511 behalten und aus ihr in den ersten drei Jahren jährlich zwanzig 
Mann, später je zehn zu entlassen und die abgehende Mannschaft durch andere 
zn ersetzen. Tie Entlassenen würden dann jährlich in ihren Kantons revidiert, 
Kleidung und Waffen in gewissen Depots bereit gehalten. Auf diese Weise 
konnten in drei Jahren gegen 17 000 Mann geübter Leute geschaffen werden, 
zu denen 280 Offiziere vorhanden waren. Weiter brachte dann Scharnhorst 
die Errichtung einer Landmiliz in Vorschlag. Man könne etwa einen Teil der 
noch erinnerten jungen Leute, deren Zahl in den kantonsreien Städten sehr be¬ 
trächtlich sein würde, zu einer solchen Miliz organisieren. Eine jede Stadt mit 
einem gewissen Kreis des umliegenden Landes hätte dann ihre Milizkompanie, 
teils Fußvolk, teils Reiterei. Sie besetzten einige Thore der Stadt und hätten 
außerdem ihre Wachen. Sie kleideten und bewaffneten fich selbst, die Infanterie 
allenfalls mit Büchsen, und erhielten keinen Sold. Tie Kompanie jedes Stadt¬ 
bezirks versammelte sich jährlich zur Musterung, damit würden dann Übungen 
im Schießen nach der Scheibe verbunden. Diese Miliz könnte einmal den ge¬ 
wöhnlichen Garnisondienst des stehenden Heeres verringern und also den Trup¬ 
pen mehr Zeit zur Übung im Felddienste lassen, dann würde durch sie, wenn 
in einer Provinz kein Militär wäre, die Ruhe in den großen Städten it. s. w. 
erhalten; endlich könnte sie, wenn günstige Umstände zur Verteidigung des Lan¬ 
des eintreten sollten, ohne Aufsehen sehr bald vermehrt werden und mit den. 
stehenden Truppen dienen. Scharnhorst hielt den Moment für geeignet, ohne 
Auffälligkeit diese Einrichtung anzuordnen, „die in der Folge vielleicht zu großen 
Zwecken dienen könne." 
Was dies für Zwecke waren, darüber hat uns Boyeu, der vertraute Jünger 
des Meisters, klaren Aufschluß gegeben. Schon jetzt war Scharnhorst von dev 
Idee eines Volkskriegs gegen Napoleon erfüllt. In den vertraulichen Unter¬ 
redungen mit ihm unb Gneisenau hat Boyeu damals nur immer den Grund¬ 
gedanken gefunden, daß im Falle eines überraschenden Angriffes von Frankreich 
man mit einer allgemeinen Landesbewaffnung für die Erhaltung des Königs 
und feines Geschlechtes kämpfen und im unglücklichsten Falle nur mit den Waffen 
in der Hand ehrenvoll untergehen müsse. Ilm den Schein einer einseitigen 
militärischen Einwirkung dabei zu vermeiden, dachte man au einen Führer, der 
nicht aus dem Heere hervorgegangen sei; zugleich sammelte Scharnhorst un¬ 
ermüdlich Terraiuuotizen über die durchschnittenen Gegenden Preußens und 
wünschte in den dazu geeigneten Gebieten Offiziere als Landräte angestellt, die 
sich beim Ausbruch des Kampfes gleich an die Spitze stellen könnten. 
Als der König Bedenken trug, schon jetzt aus Scharnhorsts Vorschläge ein¬ 
zugehen, überreichte der General am 31. August einen neuen Entwurf, „zur
	        
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