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Vorzimmer wieder herein. Es wurden noch einige Mittel angewandt: „Luft!
- Luft!" seufzte die Königin wieder. Hieronymi riet ihr, sie möge die Arme
ausbreiten und höher legen. Sie sagte: „Das kann ich nicht!" Der Arzt unter¬
stützte ihre Beweguug. Doch nur einen Augenblick ließ sie die Arme in dieser
Lage. Dann senkte sie sie schnell herab und sprach mit leiser Stimme: „Ach,
mir hilft nichts mehr, als der Tod." — Der König setzte sich au ihr Bett, er
nahm ihre rechte Hand in die seinigen. Auf der andern Seite kniete ihre
Schwester Friederike, sie hielt die linse Hand der Sterbenden. Am Kopfkissen
stand Frau von Berg, das Haupt der Königin mit treuer Hand stützend. Die
drei Arzte, Heim, Hieronymi und Görke, umgaben mit der herzoglichen Familie
das Bett.
Es war zehn Minuten vor neun Uhr vormittags, als der letzte Krampf
über die Sterbende kam. Sie bog sauft das Haupt zurück, schloß die Augen
und rief ans: „Herr Jesu, Jesu, mach' es kurz!" — Fünf Minuten nach diesem
Ausrus hatte sie ausgelitten. Noch einmal atmete sie hörbar auf. Es klang
wie ein letzter Flügelschlag des sich ans dein irdischen Leibe emporschwingenden
Geistes. Und mit diesem letzten Seufzer verschied sie fünf Minuten vor 9 Uhr.
Der König war zurückgesunken. Er raffte sich bald wieder auf und hatte
noch die Kraft, seiner Luise unter Küssen, unter Thränen die Augen zuzudrücken
- „seines Lebens Sterne, die ihm auf feiner dunklen Bahn so treu geleuchtet."
Dann stürzte er hinaus zu seinen Söhnen. Er selbst hatte sie vorhin aus dem
Sterbezimmer hinaus in den Garten gehen heißen. Sein Vaterherz wollte
nicht, daß seine Kinder den Todeskamps der geliebten Mutter sähen. Draußen
schien er nicht mehr Stärke genug zu haben, den Söhnen die Trauerkunde aus-
zusprecheu. Er sank stumm auf einen Sessel. Sein Schwager, der Prinz Karl
von Mecklenburg, sah den Kronprinzen und den Prinzen Wilhelm weinend im
Garten auf der Schloßtreppe stehen. Er ries ihnen zu: „Es ist zu Ende.
Kommt herein!"
Der König erhob sich, er nahm seine Söhne bei der Hand und führte sie
an das Totenbett. Sie sanken am Sterbelager der Mutter auf die Kniee, sie
benetzten ihre Hände mit heißen Thränen. Der Vater und der Großvater
rieten einander in die Arme und hielten sich lange umfaßt. -
Einige Stunden nach ihrem Verscheiden kamen ihre älteste Tochter, die
Prinzessin Charlotte, und ihr dritter Sohn, der Prinz Karl. Sie hatten ge¬
hofft, die Mutter noch lebend zu sinden. Der Vater eilte ihnen entgegen und
führte sie zu der Leiche. Sie knieten an ihr nieder wie an einem Altare.
Der König schien sich gar nicht von der Leiche trennen zu können. Immer
wieder kehrte er zu ihr zurück, immer wieder zog es ihn und seine Kinder zn
ihr hin. Draußen im Garten pflückten sie Blumen, mit welchen sie die Tote
bestreuten. Der König legte ihr ein Rosenreis mit drei Knospen aus die Brust.
Dachte er bei diesen drei Knospen an ihre drei jüngsten Kinder zu Hause?
Als „Königsrose" feierte sie dann Max von Schenkendors, der treuherzige