Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

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llitb Goethe selbst bekannte später: 
Wer leugnet es wohl, daß hoch sich das Herz ihm erhoben, 
Ihm die freiere Brust mit reineren Pulsen geschlagen, 
Als sich der erste Glauz der neuen Sonne heranhob, 
Als inan hörte vom Rechte der Menschen, das allen gemein sei, 
Bon der begeisternden Freiheit und von der löblichen Gleichheit. 
Tann, als die einzelnen Gewaltthaten geschahen, beklagte man diese, hielt 
sie aber für kaum 511 vermeidende Übel eines ilbergangszustaiides: als dann 
aber die Greuel der Septembermorde, die Hinrichtung eines milden, persönlich 
tadellosen Königs, die Ströme unschuldigen Blutes zum Himmel schrieen, empörte 
sich der sittliche Zinn des deutschen Volkes gegen so wahnsinnige Verirrungen; 
Klopstock bekannte seinen „Irrtum", ja manche wurden ganz irre an der Mög¬ 
lichkeit, das; Völker sich zur Freiheit erheben konnten: Schiller sang: 
Wo sich die Böller selbst befrein, 
Ta kann die Wohlsahrt nicht gedeihn, 
und Goethe mahnte: 
Nicht dem Teutschen geziemt es, die fürchterliche Bewegung 
Fortzuleiten, und auch zu wanken hierhin und dorthin. 
Tiec' ist unser! 3o lasset uns sagen und so es behaupten' 
Dennoch war Deutschland nicht eines Sinnes. Alts die großen Staaten, 
Preußen und Österreich, die eine Geschichte hatten, ans die sie stolz waren, und 
bei allen Mißständen doch Verhältnisse nach großartigerem Zuschnitt, wirkte die 
Revolution wenig. Je näher aber zum Rhein, je kleiner und kleinlicher die 
Staaten, um so leichter entzündeten sich die Köpfe. Hier gerade hatte man 
das Elend des verkommenen deutschen Reiches recht vor Augen — und nirgends 
wieder empfand man es so, wie in den geistlichen Gebieten, z. B. in Trier, 
Vibüt und Mainz. Die Bevölkerung begann über Steuerdruck, mangelhafte 
Gerechtigkeitspflege, Jagdnnwesen, Lasten der Leibeigenschaft u. dgl. zu klagen, 
selbst die ausgelassensten republikanischen Lehren, selbst die jakobinischen Greuel 
schreckten hier nicht ab, sich den „Neusranken", die mit gleisenden Worten alle 
Völker als Brüder grüßten, anzuvertrauen. Als nun sogar Österreichs und 
Preußens Heere gegen die Republikaner unglücklich kämpften, wich das Vater¬ 
landsgefühl •—- kaum war ein solches in Diesen zuchtlosen Staaten vorhanden 
—• der Luit am Neuen und den Freiheitsverheißungen der Sieger, lind so 
eilten otädtc, wie Mainz, Köln, Koblenz, uralte heilige Grundfesten des Reiches, 
leider wie bethört den gleisnerischen Fremden in die Arme —- freilich nur, um 
den verräterischen Tausch bald um so bitterer zu beklagen. 
Als in Paris die jakobinische Partei die Oberhand bekam, und das An¬ 
sehen und Lebe» des Königs selbst bedroht schien, begannen die deutschen Mächte 
zu überlegen, wie sie dem bösen Beispiel steuern und das monarchische Ansehen 
stützen möchten. Das bisher herrschende selbstsüchtige Interesse schien dem Ein¬ 
treten größerer Rücksichten zn weichen, Österreich und Preußen ihre lange Eiser-
	        
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