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vollbrachten ihre unerschrockenen Krieger auch bald. Ter Prinz von Hessen-
Homburg, -— wieder einer aus diesem tapfern Fürsteugeschlechte, —- stürmte
mit Preußen gegen das Hinterthor, Beunigsen gegen das Grimmaische Thor,
Laugerou gegen das Hallische. Auch zu deu Seiten drangen die Kämpsenden
in die Gärten ein; aber die Franzosen und Polen verteidigten jedeu Schritt,
jedes Gartenhaus und jede Hecke mußte erobert werden, und noch einmal floß
viel Blnt. Allein der Sieg konnte nun nicht mehr zweifelhaft sein. Halb
zwölf Uhr drangen die ersten Preußen in die Stadt ein uud der tiefe Hörner¬
klang der pommerschen Schützen ertönte durch die Gassen. Das war den be¬
täubten, ängstlich harrenden Einwohnern ein herrlicher deutscher Klang. Tie
verschlossenen Thüren öffneten sich, und noch in das Schießen hinein weheten
die weißen Tücher zum Freudengruß aus den Fenstern.
Um diese selbe Zeit wurde plötzlich die einzige Brücke, welche an der an¬
dern Seite der Stadt den Franzosen zur Rettung diente, über den Elster-
Mühlengraben, in die Luft gesprengt; — es ist nicht entschieden, ob auf 9t
voleons Befehl, indem er den Feind an der Verfolgung verhindern wollte, oder
durch Furchtsamkeit und Voreiligkeit eines Feuerwerkers, wie der französische
Bericht angiebt, der dort zur Wache aufgestellt war. Alle aber, die sich noch aus
dem Wege zu dieser Rettungsbrücke hindrängten, stießen einen Schrei des Ent¬
setzens ans und zerstreuten sich nach allen Seiten, um noch einen Ausweg zu
finden. Es war keiner mehr. Viele stürzten sich aus Verzweiflung in die
Elster, um hindurch zu schwimmen, allein sie kamen fast alle in dem tiefen
Flusse um oder blieben in seinen sumpfigen Ufern stecken. Auch einige der
Feldherren, die noch zurück waren, sprangen mit ihren Pferden in das Wasser,
um der Gefangenschaft zu entgehen; aber einer der ersten, der polnische Fürst
Poniatowski, den Napoleon vor drei Tagen zum französischen Marschall gemacht
hatte, ertrank in dem Flusse; Macdonald entkam. Unter denen, die gefangen
wurden, waren Reynier, Bertrand und Lauriston.
An diesem Tage verlor 9?npoleon noch mehr, als in den Tagen der
Schlacht. Über 15 OOO waffenfähige Krieger, die durch das Sprengen der
Brücke abgeschnitten waren, wurden gefangen; an Verwundeten aber und Kranken
blieben noch 25 000 der Gnade der Sieger überlasten. Ter Kanonen und
Wagen, die in und um der Stadt stehen geblieben, war eine unübersehbare
Menge; auf der Allee allein standen 105 Kanonen zusammengefahren. Es sind
ihrer in diesen Tagen über 300 mit 1000 Wagen erbeutet worden. Das war
ein Trümmerhaufen, wie ihn die Geschichte selten aufzuweisen hat.
29. Dir letzten Kämpfe und der erstr Pariser Friede.
R il d. G o e t t e, Das Zeitalter der deutschen Erhebung. 2. Halbband. Gotha 1892.
Napoleon zog unterdes in Eilmärschen auf der Frankfurter Straße von
dannen, und Blücher folgte ihm in der Entfernung eines Tagesmarsches. Ta