Full text: König Friedrich Wilhelm II. - König Friedrich Wilhelm IV. (Bd. 2)

anderer Leute ftuften ging, verstand er tüchtig zu schlingen und zu schlemmen. 
Er war in der Bibel oft sehr gut belesen, sonst aber meist unwissend und aber¬ 
gläubisch. Wo bei einem Fleißigen und Sparsamen Glück nnd Wohlstand sich 
einbanden, da witterte er einen Hausdrachen, der Schätze zur Feueresse herein- 
warf, am Walpurgisabend vergas; er nicht zum Schutze gegen Hexen drei Kreuze 
an die Ltallthüre zu malen. War ein Familienglied krank, so ging er nicht 
gern zunt Arzt, lieber zn einer klugen Frau oder zu einem Schäfer, die er mit 
Naturalien abfinden konnte. Geld gab er nicht gern. Bei Heiraten sah er 
vor allem aus Reichtum. Berrnfen war die Streit- und Prozeßsucht der Bauern. 
Ein Fußweg, ein Stückchen wüstes Land konnte Anlaß zn einem Prozeß geben, 
der Jahrzehnte dauerte und Hunderte von Thalern verschlang. Derselbe Bauer, 
der sich den Groschen vom Munde abdarbte, zahlte mit Vergnügen seine blanken 
^Haler füi Advokaten- und Gerichtskosten, besonders wenn er die Genugthuung 
Hatte, daß sein Gegner noch mehr zahlen mußte. Derselbe Bauer, der es nicht 
über sich vermocht Hätte, für sich in der Woche einen Schinken anzuschneiden, 
Dei' dem Bettler ein otiicf Brot oft nur darum gab, weil er sich vor seiner 
•hache fürchtete, trug mit Vergnügen einen Schinken zu seinem Advokaten. In 
'einem Hanse lebte der Bauer mit Frau, Kindern und Gesinde Höchst einfach. 
$>euit es aber galt, sich sehen zu lassen, bei Kindtaufen, Hochzeiten, Begräbnissen 
unt> Kirchweihen, ward aufgetragen, was der Lisch zu tragen vermochte: Bier¬ 
suppe, Reis mit Rosinen, fette Gänse und vor allem Schweinebraten und Kuchen 
in ('fülle. Hochzeiten wurden oft mehrere Jage lang mit Schmaus und Tanz 
gefeiert. Zgt Schlägereien kam es bei solchen Gelegenheiten infolge übermäßigen 
Genusses geistiger Getränke nicht selten. Im Kartenspiel wagte der Bauer oft 
hohe Einsätze. 
Nachkommen der fahrenden Leute des Mittelalters gab es auch jetzt noch. 
Da war zunächst das sogenannte Gesindel, Bettler, die ohne Heimat von Crt 
zu L rt zogen und die nur durch die Furcht vor Staupenschlag und Zuchthaus 
ein wenig im Zaume gehalten wurden. Am häufigsten trat dieses Gesindel tu 
Lüddeutschland auf. Auch Handelsleute aller Art zogen umher. Da kamen 
öliwaken mit Mäusefallen und mit Hecheln, Italiener, die eine Last Citronen 
auf dem Rücken trugen, Ungarn und Thüringer (aus Königssee), die einen kleinen 
braunen Schrank mit allerhand Medikamenten auf dem Rucken hatten, Tiroler 
mit bunten Teppichen oder mit Handschuhen aus Gemsleder. Großen Jubel 
bei der Jugend erregte das Erscheinen eines Bärenführers, der mit dem 
tanzenden Meister Petz Dorf und Stadt durchzog, in seiner Mütze die kleinen 
Gaben sammelnd, die namentlich die Kinder herbeitrugen. Zuweilen führte der 
Bärenführer auch ein Kamel mit sich. aus dessen Höcker ein Affe in blauer 
oder roter Jacke saß. Es erschienen Leute mit Guckkästen, in denen man|An- 
sichten von Paris und Rom, Neapel und Jerusalem, sowie die aUerueucsteit 
Schlachten sehen konnte. Bänkelsänger erschienen mit grausigen Bildern von 
Mordthaten und Geistergeschichten namentlich auf Jahrmärkten. Für wenige
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.