offizier, der seine Aufgabe nicht als einen Zeitvertreib oder bloße Form auf¬
faßte, wie dies sonst bei Fürstensöhnen die Regel; nein, für ihu war es ein
mit vollem Ernst erwählter Lebensberuf.
Als Prinz des königlichen Hauses war er auch Mitglied des Staatsrats
geworden nnb hatte als solcher an den Beratungen nnb Erwägungen über bie
wichtigsten Principienfragen ber neuen Gesetzgebung teilzunehmen, jener Gesetz¬
gebung, welche nach ber großen Kriegszeit ben preußischen Staat neu zu or¬
ganisieren bestimmt war. Es verbieut hervorgehoben zu werben, baß ber jugeub-
liche Prinz bei tierschiebenen Fragen ein selbständiges Urteil zu Silben sich red-
lich bemühte; bei ber Erörterung ber neuen Steuergesetze von 1820 machte er
einmal mit militärischer Kürze bie treffeube Bemerkung, „baß bie reicheren
Klassen ber Nation und bie höher besolbeteu Beamten zur Erleichterung bes
ärmeren Volkes iu höherem Grabe heranzuziehen sein würben," als Harben-
bergs Gesetzentwurf bies iu Aussicht genommen.
Sonst bars es niemanbem anffalleub erscheinen, baß in ben politischen
Fragen Prinz Wilhelm nicht gerabe eine leitenbe Stellung am Hofe seines
Vaters einnahm. Er war ein jüngerer Prinz, beut bamals noch keine Aussicht
auf bie Königskrone winkte. Znr Aufgabe bes bereinigen Königs unb Herr¬
schers bereitete sich ber Kronprinz Friebrich Wilhelm bamals tior, ber sowohl
im äußerlichen Wesen als in Geist unb Charakter wenig Ähnlichkeit ober Ver-
wanbtschaft mit betn nüchstjüngeren Bruber verriet; ein sehr ungleiches Brüber-
paar waren sicherlich bic beiben ältesten Söhne Friebrich Wilhelms III. Ter
Kronprinz machte seit 1822 in steigendem Maße seinen Einfluß auf die Re¬
gierung seines Vaters geltend: die Unklarheit und Verschwommenheit des Willens,
die ein hertiorragenbes Merkmal seiner Regierung werden sollte, störte unb ver¬
wirrte schon bamals wieberholt ben Gang unb bie Entschließungen ber könig¬
lichen Staatsregieruug. Ganz anbers Prinz Wilhelm, ber wie jeber anbere
Berufsoffizier ben Aufgaben unb Arbeiten bes Heerwesens mit pflichtmäßiger
Treue nnermüblich oblag. Er teilte bie monarchisch-patriarchalische Auffassung
ber preußischen Staatseinrichtungen; bas unbeschränkte Recht bes preußischen
Königtums staub ihm burchaus fest; seinem Geiste waren bie politischen Jdeeen
bes niobernen Liberalismus burchaus freiub uud fern geblieben; unb wo sie
einmal in feinen Horizont traten, fühlte er sich in ausgesprochenem Gegensatz
zu ihnen. Aber er bewahrte sich buch immer einen klaren unb offenen Blick
für bie Wirklichkeit bes Lebens, unb er war bereit, von beut Fortgange der
Zeiten zu lernen. Vor allem ber staatliche Sinn ber Hohenzollern, bas Erb¬
teil feiner Ahnen, hatte in feinem Geiste festere Wurzel geschlagen als in bem
beweglichen, unsicheren Kopfe bes Kronprinzen, in welchem unvereinbare Gegen¬
sätze unb Einfälle kraus unb wilb burcheinauber wirbelten.
Prinz Wilhelm war in erster Linie — man kann von ber damaligen Zeit
vielleicht sagen, er war fast ausschließlich Soldat, pflichtgetreu in feinem Berufe,
mit vollem Verständnis seines militärischen Berufes — dem Dienste und den