Full text: Kaiser und König Wilhelm I. - Kaiser und König Wilhelm II. (Bd. 3)

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Die Aufgabe, ihren erstgeborenen Sohn, der in den ersten Jahren Fritz- 
gerufen wurde, zur „Ehre und zum Wohle des teuren Vaterlandes zu erziehen," 
haben die erlauchten Eltern nicht leicht genommen. „Unendliche Mühe unb 
Sorgfalt", — so schreibt Dr. Hiuzpeter, der spätere Erzieher des Prinzen, 
aus eigener Anschauung — „wurde auf die Lösung dieser Aufgabe verwandt. 
In der ersten Pflege der Kinder fand die junge Mutter ein ihr sehr liebes 
Feld für ihre Thätigkeit und für eine fruchtbare Verwertung der nützlichen Er¬ 
fahrungen und guten Gewohnheiten ihres Heimatlandes. ,Die Kronprinzessin 
in der Kinderstube' wurde bald ein sehr beliebtes Bild und ein so viel be¬ 
sprochenes Thema, daß sich selbst die Legende desselben bemächtigte und märchen¬ 
hafte Geschichten von öffentlicher, demütigender Züchtigung ungewaschener Prinzen 
und dergleichen mehr erfand. Der geschichtliche Kern derselben war jedenfalls 
der, daß die Mutterliebe groß war und den festen Entschluß eingab, feine An¬ 
strengungen zu scheuen, um alle guten Keime in dem jungen Wesen zur Ent¬ 
faltung zu bringen. Leib und Seele sollten in voller Gesundheit erblühen, um 
mit dem persönlichen Glück auch die Kraft zu geben, den hohen Anforderungen 
der künftigen so schwierigen Stellung zu genügen Schärfe des Geistes, 
Wärme des Herzens und Festigkeit des Charakters sollten ebenmäßig erstrebt 
werden als gleich notwendig für den hohen Beruf eines Fürsten In 
seltenem Maße haben in dieser fürstlichen Familie die Kinder den Mittelpunkt 
des häuslichen Lebens gebildet, hat ihr Wohl und Wehe die Ordnung des 
Hauses bestimmt; sie waren die Hauptquelle der Freuden und Schmerzen." 
2. Werden und Wachsen tu groher Zeit. 
Hans Meyer, Kaiser Wilhelm II. 4te Auflage. Langensalza 1890. 
Es ist wahrlich nicht ohne Bedeutung, daß die Jugendjahre unseres Kaisers, 
die Jahre von seiner Geburt bis zur Konfirmation, in eine der glänzendsten 
Epochen deutscher Geschichte sielen. 1859—1874! Welch eine Wendung durch 
Gottes Führung in Preußen und in Deutschland! Damals Preußen schmachtend 
in den Fesseln des deutschen Bundes und Deutschland ein „geographischer Be¬ 
griff", ohne Ansehen, ohne Achtung bei den fremden Völkern; — jetzt Deutsch¬ 
land einig und hochgeachtet im Rate der Völker, und Preußen die Vormacht 
in Deutschland, Preußens König zugleich Deutschlands Kaiser! 
König Friedrich Wilhelm IV. wurde am 2. Januar 1861 von seinen Lei¬ 
den erlöst, und mit fester Hand führte fein Bruder, König Wilhelm, die Re¬ 
gierung. „Es ist Preußens Bestimmung nicht, dem Genuß der erworbenen 
Güter zu leben. In der Anspannung seiner geistigen und sittlichen Kräfte, in 
dem Ernste und der Aufrichtigkeit feiner religiösen Gesinnung, in der Stärkung 
seiner Wehrkraft liegen die Bedingungen seiner Macht; nur so vermag es seinen 
Rang unter den Staaten Europas zu behaupten" •— so hieß es in des Königs 
Erlaß an sein Volk, und gleich seinen ersten Regierungsakten drückte der neue
	        
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