Full text: Die Helden Griechenlands im Krieg und Frieden (Bd. 1)

7. Peisistratos von Athen und seine Söhne. 
Solon hatte gesagt, Athen besitze keinen Mann von schöne¬ 
ren Anlagen zur Tugend und keinen besseren Bürger als Peisi- 
stratos, wenn das Streben, an der Spitze des Gemeinwesens zu 
stehen, aus seiner Seele genommen werden könnte. Aber dieser 
Ehrgeiz war die herrschende Leidenschaft in der Seele des Peisi- 
stratos, die keine Vorstellungen des edlen Solon zu beschwichtigen 
vermochten, und zur Befriedigung derselben verwandte Peisistra- 
tos alle seine trefflichen Anlagen. Er war wie zum Volksführer 
geboren. Wie feinem Ahnen Nestor nach dem Zeugniß des Homer 
die Rede von den Lippen floß süßer als Honig, so besaß Peisi- 
stratos in hohem Grade wie ein Erbtheil der Familie die Gabe 
der gewinnenden Rede. Dhttc den anmaßenden Stolz, den man 
an den Männern des Adels gewohnt war, verkehrte er freundlich 
und herablassend mit dem Volke, überall liebenswürdig und hülf- 
reich, ein uneigennütziger Freund der Darbenden und Bedrückten. 
4$r spendete Geld, öffnete feine Hänfer, seine Pflanzungen und 
Gärten waren zu beliebiger Benutzung freigegeben. Dabei nahm 
er bei feinen Unterredungen mit dem Volke den Schein eines 
billig und gerecht denkenden Mannes an, der die Gleichheit liebe 
und Bedrückung Haffe, fprach viel von der Verkümmerung feiner 
Rechte und feiner drückenden Lage, in der es nicht länger ver¬ 
bleiben dürfe. So wiegelte er das Volk zu immer größerer Un¬ 
zufriedenheit aus, auf ihn fetzte es alle seine Hoffnungen und 
folgte bereitwillig seiner Führung. 
Nachdem Peisistratos alles für seine Pläne vorbereitet hatte, 
begann er die Ausführung mit einem schlauen Streich. Eines 
Tages hatten die Parteiführer in ber Volksversammlung mit 
großer Hestigkeit gegen einander gestritten. Kurz darauf jagte 
Peififtratos auf seinem Wagen verwundet mit blutendem Gespann 
vom Felde herein aus den gefüllten Markt und erzählte der ihn 
umringenden Menge, wie er auf dem Wege nach seinen Gütern 
von seinen Feinden überfallen worden und kaum dem Tode ent¬ 
kommen fei. Während des Tumultes trat Solon an Peififtratos 
heran und sprach: „O Sohn des Hippokrates, nicht schön spielst
	        
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