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auf der Anhöhe bei Leipzig, die zur Erinnerung an sie der Monarchenhügel
heißt^ die große Botschaft brachte, da verkündete er zugleich allen Völkern, die
seit säst zehn Jahren unter dem französischen Joche geschmachtet hatten, den
Wiedergewinn ihrer Freiheit, das Ende der napoleonischen Gewaltherrschaft.
Noch hatte es einer letzten, ungeheuern Anstrengung bedurft, um das große Ziel
zu erreichen, eine Schlacht war geschlagen, die ihres Gleichen bisher nicht hatte
in der Weltgeschichte, eine Völkerschlacht, in der mehr als eine halbe Million
Streiter, aus fast allen Nationen Europa's zusammengewürfelt, geführt von den
größten Feldherren ihrer Zeit, ausgerüstet mit allen Zerstörungsmitteln moderner
Kriegskunst, unter den Augen der mächtigsten Herrscher des Welttheils daran
arbeiteten, sich gegenseitig zu vernichten.
Glücklicherweise war es Napoleon nicht gelungen, die schlesische und Nord¬
armee, welche bereits die Elbe überschritten hatten, vor ihrer Vereinigung mit
der böhmischen Armee zu erreichen und zu schlagen. Letztere stieg, ob auch
langsam und schwerfällig, vom Erzgebirge herab, um den beiden andern Heeren
die Hand zu reichen. Bei Liebertwolkwitz stießen am 14. October ihre Vortruppen
auf Murat's Reiterei und lieferten ihr ein glänzendes Gefecht, als würdige Ein¬
leitung zu den Kämpfen der folgenden Tage, die man unter dem Namen der
Schlacht bei Leipzig zusammenfaßt. Während desselben traf Napoleon in
Leipzig ein, kurz nach ihm, mehr einem Gefangenen als einem Verbündeten
gleichend, der König von Sachsen, um an seiner Seite abzuwarten, wie
die eisernen Würfel auch über ihn und sein Land fallen würden. Napoleons
Heer zählte 150,000 Mann, wenig im Vergleich zu der ungeheuren Uebermacht
seiner Gegner. Doch in Folge der Vielköpfigkeit des verbündeten Obercom-
mando's war die Truppenzahl, über welche Schwarzenberg zunächst verfügte,
nicht stärker als die französische, die russische Reservearmee und das Nordheer
viel zu weit zurück, um am ersten Schlachttage mitwirken zu können, so daß alle
Vortheile, auf welche Napoleon überhaupt zählen konnte, am 16. October noch
für ihn waren; jeder weitere Tag mußte sie vermindern. Er stellte sich daher,
in der irrigen Voraussetzung, daß auch Blücher noch weit entfernt fei, mit seiner
Hauptmacht bei Wachau, südlich von Leipzig, dem anrückenden böhmischen Heere
entgegen. Ein mörderischer Kamps erhob sich um die von den Franzosen be¬
setzten Dörfer, die Reihen der Verbündeten lichteten sich, vom feindlichen Ge¬
schütz zermalmt, auf schreckenerregende Weise. Zum Unglück hatte Schwarzen¬
berg ans Mangel an Kenntniß des Terrains 40,000 Oesterreicher in die Nieder¬
ung zwischen Elster und Pleiße geworfen, wo sie sich vergeblich abmühten, die
feindliche Flanke zu umgehen, während ihre Mitwirkung bei Wachau schmerzlich
vermißt wurde. Napoleons sorgenschwere Stirn glättete sich, er hielt sich des
Sieges für gewiß, schon verkündeten ihn die Glocken von Leipzigs Thürmen.
Ihn zu vollenden entsandte er eine Masse von 8000 Reitern unter Murat,
um das Centrum der Verbündeten zu durchbrechen, ihre Wucht zerriß die dünnen
Reihen der Preußen und Russen, nur wenige Schritte trennten noch die Vor¬
dersten von der Anhöhe, wo die Monarchen dem furchtbaren Schauspiele zu¬
schauten, da erlahmte der Stoß, Verstärkungen langten an und trieben die durch
den schnellen Ritt gelockerten und ermüdeten Angreifer zurück, ein zweiter Ver¬
such Napoleons, durch das Fußvolk ausführen zu lassen, was der Cavallerie
mißglückt war, hatte keinen besseren Erfolg, und nach achtstündigem Würgen be¬
haupteten beide Heere ungefähr dieselben Stellungen wie am Morgen. Napoleon
hatte den Sieg, an dem sein Schicksal hing, nicht erfochten.