schwärmerischen Ideen, welche das ganze Zeitalter durchdrängen, sein erhabenes
Epos, den Parcival. Um dieselbe Zeit dichteten Heinrich von Veldecke, der auch
zu dem Sängerkreise des Landgrafen gehörte, der Schwabe Hartmann von Auer,
der Elsässer Gottfried von Straßburg, wenig später Rudolph von Ems, und
welch eine lange Reihe von trefflichen Dichtern schließt sich an diese Fürsten
des Gesanges nicht unwürdigen! Damals erwachte auch zuerst Sinn und
Verständniß für die alten Lieder von den sagenhaften Thaten und Schicksalen
der grauen Vorzeit, die noch bruchstückweise im Munde des Volkes lebten, man
sammelte und verband sie und es entstanden daraus das Gudrun- und das
Nibelungenlied, die beiden einzigen Volksepen, welche die deutsche Literatur
aufzuweifen hat.
Diese schöne geistige Regsamkeit erlosch aber auch wieder mit dem Verfall
der politischen Bedeutsamkeit des Reiches, das Ritterthum verlor seine innere
Bedeutung und damit verstummte auch der Minnegesang, die Pflege der Dicht¬
kunst ging aus der Hand der Edeln in die der Bürger und Handwerker über
und verwandelte sich in den Meistergesang, der ohne Schwung und Feuer mehr
und mehr der wahren Poesie fremd ward."
8. Die heilige Elisabeth.
(gest. 1231 n. Chr.)
Landgraf Ludwig der Fromme von Thüringen kehrt mit seinen Edlen
vom edlen Waidwerk heim. Er findet den Schloßhof feiner Wartburg gefüllt
mit allerlei Bettlern, Siechen und Krüppeln, die des Almosens warten, das
die mildthätige Hand der Landgräfin spendet. Der Anblick ist dem frommen
Landgrafen kein ungewohnter, denn er weiß, daß Wohlthun feiner Gemahlin
liebste Beschäftigung ist.
Die Landgräfin Elisabeth ist ein — allerdings höchst liebenswürdiges —•
Bild ihrer Zeit, welche die Frömmigkeit durch häufiges Fasten, Selbstkasteiung
und öftere Wallfahrten bezeugen zu müssen glaubte. Schon frühe hat die
Legende ihre Lebensweise und ihre Schicksale so wunderbar ausgeschmückt, daß
es nicht ganz leicht ist, die geschichtliche Wahrheit festzustellen. Nicht auf
deutschem Boden, sondern in Ungarn stand ihre Wiege, denn ihr Vater war
der König Andreas II. von Ungarn. „Sie stand erst im vierten Jahre, als
Landgraf Hermann von Thüringen sür seinen ebenfalls noch nnmündigen Sohn
Ludwig um ihre Hand warb, und reich ausgestattet folgte das bräutliche Kind
seinem Abgesandten, Herrn Walther von Vargnla, auf die Wartburg, um daselbst
unter der Aufsicht der Landgräfin Sophie neben deren Tochter erzogen zu werden.
Ernste Erfahrungen, die sie in frühester Jugend machte, namentlich das schreck¬
liche Ende ihrer Mutter, die auf falschen Verdacht hin durch das Henkerbeil fiel,
ebenso die Erzählungen von dem gottseligen Wandel ihrer Tante, der heiligen
Hedwig, mögen für die Entwickelung ihres Gemüthes maßgebend geworden sein.
Schon damals offenbarte fich ihr demüthiger, sich nur in Niedrigkeit und Uebung
frommer Werke gefallender Sinn, der Vielen, auch den Gliedern der Lndgräh
liehen Familie, fo unsittlich erschien, daß man ihren Bräutigam, der unterdeß
zu einem trefflichen, an allen Tugenden reichen Jüngling erblüht war, bestimmen
wollte, sie ihrem Vater zurückzuschicken. Aber unwillig verwarf dieser ihren Rath
und machte die nun vierzehnjährige Elisabeth zu seiner Gemahlin. War der
landgräfliche Hof zu seines Vaters Zeiten der Sammelplatz fröhlicher Sänger