Full text: Poetische Blumenlese oder Grundlagen für den Unterricht in der Poetik und Litteraturgeschichte

VIL. Balladen und Romanzen 
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Und mancher deutsche Reitersmann 
Hat dort den Trunk sich abgethan; 
Den Pferden war's so schwach im 
Magen, 
Fast mußt' der Reiter die Mähre 
ragen. 
Er haut ihm ab mit einem Streich 
Die beiden Vorderfüß zugleich. 
6. Als er das Tier zu Fall gebracht, 
Da faßt er erst sein Schwert mit Macht 
Er schwingt es auf des Reiters Kopf 
Haut durch bis auf den Sattelknopf, 
Haut auch den Sattel noch zu Stücken 
Ünd tief noch in des Pferdes Rücken; 
Zur Rechten sieht man wie zur Linken 
Einen halben Türken heruntersinken. 
7. Da packt die andern kalter Graus; 
Sie fliehen in alle Welt hinaus, 
Und jedem ist's, als würd' ihm mitten 
Durch Kopf und Leib hindurchge— 
schnitten. 
2. Nun war ein Herr aus Schwaben⸗ 
land, 
Von hohem Wuchs und starker Hand; 
Des Roößlein war so krank und 
schwach, 
Er zog es nur am Zaume nach; 
Er hätt' es nimmer aufgegeben, 
Und kostel's ihn das eigne Leben. 
3. So blieb er bald ein gutes Stück 
Hinter dem Heereszug zurück; 
Da sprengten plötzlich in die Quer 
Fünfzig türkische Reiter daher. 
Die huben an, auf ihn zu schießen, 
Nach ihm zu werfen mit den Spießen. 
8. Drauf kam des Wegs ne Christen⸗ 
schar, 
Die auch zurückgeblieben war; 
Die sahen nun mit gutem Bedacht, 
Was Arbeit unser Held gemacht. 
9. Von denen hat's der Kaiser ver— 
nommen. 
Der ließ den Schwaben vor sich 
kommen; 
Er sprach: „Sag' an, mein Ritter 
wert! 
Wer hat dich solche Streich gelehrt?“ 
Der Held bedacht' sich nicht zu lang: 
„Die Streiche sind bei uns im 
Schwang; 
Sie sind bekannt im ganzen Reiche, 
Man nennt sie halt nur Schwaben— 
streiche.“ 
4. Der wackre Schwabe forcht 
sich nit, 
Ging seines Weges Schritt vor Schritt, 
Ließ sich den Schild mit Pfeilen 
spicken 
Und thät nur spöttlich um sich blicken, 
Bis einer, dem die Zeit zu lang, 
Auf ihn den krummen Säbel 
schwang. 
dem Deutschen auch 
sein Blut, 
Er trifft des Türken Pferd so gut, 
a) Quelle des Gedichtes sind die Annales guevici von Crusius, der also be— 
richtet Auf diesem Zuge (6. Kreuzzuge) soll ein Allemanne von riesigem Körper und 
ungeheurer Kraft wein hinter den Seinen zurückgeblieben sein, da er langsam sein durch 
Anflrengung ermüdetes Pferd führen mußte. Fünfzig Sarazenen beschossen ihn aus 
der Ferne mil Pfeilen. Doch da er durch seinen Schild und starken Panzer geschützt 
war, verfolgte er ungestört seinen Weg. Als aber einer von den Feinden, den seine 
Kühnheit sag (ärgerte), an ihn herantritt und mit dem Schwerte nach ihm schlug, 
hieb dieser mit slarker, heldenhafter Hand die beiden vordern Füße des feindlichen 
Pferdes mit einem Schlage ab. Und da dieser noch auf dem Pferde sitzen blieb, hieb 
Ropf, Bruft, Bauch, ja auch den Sattel des Pferdes mit einem Schlage des 
Schwertes durch, so daß er auch noch den Rücken des Pferdes verwundete — Ahn 
lich exzählt Abraham a Sancta Clara die Heldenthat in dem Traktate: Auff auff, 
Ihr Christen!“ — b) Gliederung: 1. Das Kreuzheer in den öden Steppen. 2. Der 
schwäbische Ritter: a) sein Mitleid mit seinem kranken Pferde, h) seine Furchtlosigkeit 
beim det Turken, d seine Tapferkeit im Kampfe mit den Türken, d) sein 
Sieg Wer die Turken, H seine Bewunderung seitens der nachziehenden Pilger, ) seine 
Unverlegenheit dem Kaiser gegenüber. — 3Zwed des Gedichtes. Der Zweck des 
Gedichtes ist, das Wesen des er deutschen Ritters zu charakteri⸗ 
fleren und zugleich das allgemein verbreitete Vorurteil von der Beschränktheit und
	        
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