Full text: Vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zum Wiedererstehen des Deutschen Reiches (Bd. 8)

Zeit der Fremdherrschaft; — Neugestaltung des preußischen Staates. 43 
dessen ehrsüchtige Pläne sich mehr und mehr offenbarten. Es war 
nur zu gewiß, daß wir abgetreten werden würden; aber was 
unser Schicksal sein sollte, darüber war ein dunkler Schleier ge¬ 
zogen. — 
Friede von Tilsit. So sehr ich auch durch das Zurück¬ 
ziehen in meinen engen Geschäftskreis eine Art von philosophischer 
Ruhe errungen zu haben glaubte, so konnte ich doch erschütternden 
Gefühlen nicht entgehen, als der Ti lsiter Fr i ed e uns wirklich 
vom preußischen Staat trennte und die Grenzen desselben sogar 
40 Meilen von uns nach Osten abrückte. Die rührenden Worte, 
womit unser unglücklicher König von seinen Unterthanen in den ab¬ 
getretenen Provinzen Abschied nahm und die Beamten ihrer Eides¬ 
pflicht entließ, machten uns die Größe unseres Verlustes noch tiefer 
empfinden. Liebe Kinder! es ist ein durchaus nicht zu beschreiben¬ 
des schmerzliches Gefühl, wenn die alten Bande der Zugehörigkeit, 
der Liebe und des Vertrauens, welche uns durch eine lange Reihe 
unserer Voreltern an Staat und Landesherrn knüpfen, aus einmal 
gewaltsam zerrissen werden, wenn einem Volke ein neuer und 
fremder Herrscher ausgedrungen wird, für den kein Herz schlägt, 
den man mit zagendem Zweifel empfängt, und welcher auch seiner¬ 
seits für die neuen Unterthanen nichts empfindet. 
12. Zeit der Fremdherrschaft; — Neugestaltung des preußischen 
Staates. 
Arndt, Erinnerungen aus dem äußeren Leben; — Brief der Königin 
Luise an ihren Vater*); — Königl. Edikt, den erleichterten Besitz rc. 
betr.**); — Reglement über die Besetzung der Stellen rc. — 
Französische Fremdherrschaft, Wiedererwachen des 
vaterländischen Sinnes. (Arndt:) Die Jahre 1805 und 1806 
rissen endlich die beiden letzten Stützen nieder, woran sich ein 
bißchen Deutsches geschienen hatte halten und erhalten zu 
können. Jetzt war das Letzte geschehen; alles einzelne Deutsche, 
das Kleinste wie das Größte, das Ruhmvollste wie das Dunkelste, 
lag nun in einem großen gemeinsamen Jammer über- und unter¬ 
einander hingeworfen, und der übermütige welsche Hahn krähte fein 
Victoria! über den Trümmern der geschändeten Herrlichkeit. Da 
war der Tag gekommen, wo alle einzelne Gefühle und Urteile und 
Vorurteile und Lieben und Vorlieben in dem großen Schutt mit 
zusammensanken. Was Kaiser und Könige verloren und ausgegeben 
hatten, davon mußten sich endlich auch die Kleinen lösen! Als 
*) Kluckhohn, Luise, Königin von Preußen. 
**) Pertz, das Leben des Ministers Freiherrn vom Stein (ent¬ 
nommen aus Schilling, Quellenbuch).
	        
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