48 Zeitalter der französischen Revolution und Napoleons I.
Stein nahm im Frühling des Jahres 1807 in Königsberg seine
Entlassung und ging aus seine Güter am Rhein. Doch schon im
Herbst desselben Jahres rief ihn sein König zurück und übergab
dem Manne, dem alle Guten zutrauten, daß er nie am Vaterlande
verzweifeln könne, die höchste Leitung der Geschäfte. Genug be¬
kannt ist, was er für die Wiederherstellung des Vaterlandes ge¬
wollt und gewirkt, und wie er mit den besten Männern, namentlich
mit dem stillen, festen Scharnhorst, dafür gestrebt und gearbeitet
hat: Aufhebung der Dienstbarkeit und Leibeigenschaft, und was
dazu gehört, Scheidung und Ablösung der grundherrlichen und
bäuerlichen Verhältnisse, neue Städteordnung, neue Kriegs- und
Wehrordnung, Sprengung des Kastengeistes und Förderung des
Gemeingeistes. — Napoleon und seine Späher wurden ausmerksam
auf die Arbeiten und Hoffnungen dieser Männer; Stein ward ent¬
lassen ; der fremde Überzieher ächtete ihn und zeigte der ganzen
Welt dadurch die Tugend des Verfolgten. Ein Jahr war er
höchster Diener feines Königs gewesen. Dankbar hat er immer des
offenen Vertrauens und des tapferen Beifalls erwähnt, die fein
erhabener König ihm in jener verhängnisvollen Zeit gewährt hat.
Er war von dem Gewaltigsten in die Acht gethan; seine Güter
waren mit Beschlag belegt; er suchte und fand von 1808 bis 1812
in den Erbstaaten seines alten Kaisers im Elende eine Zuflucht.
Als sich im Sommer des Jahrs 1812 der übermütige Sieger und
Eroberer gleich einem verderbendrohenden Schicksal gegen den
Osten wendete, um Europas Unterjochung zu vollenden, berief der
Kaiser Alexander den Minister vom Stein zu sich, damit er ihm
für die eigenen und für Preußens und Deutschlands Angelegen¬
heiten Ratgeber und Helfer würde. Einige erzählen, dem Kaiser
seien in jener verhängnisvollen Zeit Äußerungen und Prophezeiungen
eingefallen, welche Stein vor dem Frieden zu Tilsit weissagend zu
ihm gesprochen. Wie dem sei, durch einen eigenhändigen Brief, der
für Stein unerwartet wie aus den Wolken gefallen war, lud der
Kaiser ihn vertrauensvoll zu sich ein, und der Mann stand hinfort
gleichsam wie eine Säule der Wahrheit und Stärke für seine
Hoffnungen und Entschlüsse ihm zur Seite. Wie, wodurch und
wofür in jenem großen Jahre 1812 in Rußland gestritten und ge¬
siegt worden, das steht noch frisch in unserm Gedächtnis. Die
Verfolgung des geschlagenen Napoleon, das rasche Vorrücken über
die Weichsel, das Bündnis mit Preußen für Deutschlands Be¬
freiung , die gewaltigen Schlachten und endlich der Sieg bei
Leipzig — in allem diesem war der Geist und der Rat und die
Tugend dieses deutschen Mannes mit; sie waren und blieben mit
und bei dem russischen Kaiser bis in Frankreich und bis in Paris
hinein, und die Welt muß es nicht vergessen, daß sie dem Freiherrn