VI. Die deutsche Kultur von 1648 —1740.
41
ihm am 20. Oktober im Tode folgte; mit ihm erlosch das Hau&
Habsburg im Mannesstamm. — Unberührt geblieben war Preufsen
vom polnischen Thronfolgekriege (1733 — 38), der nach dem
Tode Augusts II. entstand, indem Frankreich Ludwigs XY. Schwie¬
gervater Stanislaus Leszczynski wieder auf den Thron bringen
wollte, während Österreich für August III. eintrat, der die prag¬
matische Sanktion anerkannte. Im Frieden zu Wien (1738)
wurde bestimmt: August HI. wird in Polen König, Stanislaus
erhält das Herzogtum Lothringen, das nach seinem Tode an Frank¬
reich fällt, — was 1766 geschah! —- Herzog Franz Stephan,.
Maria Theresias Gemahl, wird Grofsherzog in Toscana (wo 1738
die Medici ausstarben), Neapel-Sicilien kommt an den spanischen
Prinzen Don Carlos, Parma und Piacenza an den Kaiser. So
hat Karl YI. die Interessen des deutschen Yolkes denjenigen seines
Hauses geopfert.
YI. I)ic deutsche Kultur von 1648 bis 1740.
Der Westfälische Friede ist das letzte europäische Aktenstück
in lateinischer Sprache; nun wird französisch die Sprache der
europäischen Diplomatie und guten Gesellschaft. Es beginnt die-
Französierung Deutschlands. Deutsche Fürsten suchen in wahn¬
witziger Verschwendung und bodenloser Unsittlichkeit, in Knech¬
tung und Aussaugung des Yolkes Ludwig XIY. zu übertreffen 1r
nur dafs an die Stelle französischer Grazie Unbeholfenheit und
Hoheit tritt. Das Bürgertum kann sich in geist- und geschmack¬
loser Nachäffung französischen Wesens nicht genug thun; das-
Alamodetum beherrscht trotz Logaus zorniger und satirischer Epi¬
gramme die Gesellschaft. Die deutsche Sprache ist in trauriger
Verfassung, die Litteratur überbietet in den Hervorbringungen
der zweiten schlesischen Schule die naturwidrigsten und unsitt¬
lichsten französischen Vorbilder. An den zahlreichen Universi¬
täten herrscht mehr Roheit und toter Buchstabenglaube als wahre-
1) Friedrich d. Gr. im „ Antimachiavel“ chap. X: „11 n’y a pas jusqu’au,
cadet du cadet d’une ligne apanagée qui ne s’imagine d’être quelque chose de
semblable à Louis XIV: il bâtit son Versailles, il baise sa Maintenon, et il
entretient ses armées.