Full text: Vom Regierungsantritt Friedrichs des Großen bis zum Wiedererstehen des Deutschen Reiches (Bd. 8)

Der Wiener Kongreß. 05 
Kraft immer für einen Zweck beisammen haben, daß also in 
Unterhandlungen das in viele Herrschaften und Ansichten geteilte 
Deutschland immer eirteit Teil der Vorteile verlieren muß, welche 
es durch Siege erfochten hat. Rußland, England, Frankreich, 
Spanien standen in Wien als Einheiten, Deutschland als Viel¬ 
heit, endlich gar als eine zersplitterte und zwieträchtige Vielheit, 
worunter und womit die Fremden desto besser ihr Spiel treiben 
konnten. Das war aber gar das Seltsamste, daß man den Urheber 
alles Unheils, daß man das niedergeworfene und besiegte Frank¬ 
reich, dem man durch den Frieden von Paris eben sein Erbe wieder 
zugeteilt hatte, hier in Wien sogleich wieder mithandeln und mit¬ 
stimmen ließ, daß man den Mann, der mit den deutschen Fürsten¬ 
tümern und Herrlichkeiten jüngst noch so schändlich gefeilscht hatte, 
der alle unsere Unebenheiten, Schwächen und Gebrechen aus das 
gründlichste kannte, daß man Talleyrand als den Mitsprecher und 
Mitrater unter den erlauchten Räten und Freunden der Herrscher 
mitsitzen ließ. Fürst Hardenberg hatte also gewiß eine sehr schwere 
Stellung, zumal da Preußen bei der Entschädigungsfrage weit 
mehr als Österreich, welches sich in Italien und um das Adriatische 
Meer seine Fettstücke ausgesucht hatte, recht in die Mitte aller 
möglichen deutschen Streite und Zänke hineingeschoben war. Drei 
Lande waren es. worum in Wien vorzüglich verhandelt und ge¬ 
stritten worden: Polen, das Königreich Sachsen und die von 
Frankreich wiedereroberten Rhein- und Maaslande. Ich weiß, daß 
viele Preußen, besonders auch solche, die Feldherren heißen oder 
werden wollten, statt aller Wiedererstattung und Entschädigung 
nichts als Sachsen, das ganze Sachsen begehrt hatten; ja ich habe 
viele schelten gehört, daß man mit den preußischen Landen nur 
über den Rhein hinaus wollte. Mich für meinen Teil hat der 
Streit um Sachsen wenig gekümmert: Sachsen im Mittelpunkt 
Deutschlands mußte endlich, wenn wir nicht immer wieder in die 
allerundeutscheste, die Fremden lockende Zwietracht zurückzufallen 
gemeint waren, schon in und bei Deutschland bleiben und mit dem 
übrigen Deutschland auf jeden Fall stehen oder fallen. Aber ganz 
anders stand die Frage um Polen und um die Lande um die Maas, 
Mosel und Rhein. Dort lagen die mächtigen Reichsfeinde an den 
Grenzen und konnten sich nur freuen, wenn man da schwächende 
Zersplitterungen und Zerreißungen machte. Das durfte ein Fürst 
Staatskanzler von Preußen nicht unbeachtet lassen; er mußte sorgen, 
wenn Preußen mit seinen Grenzen durchaus an den Rhein mußte 
— und das mußte es—, daß es als Vorstreiter des deutschen Volks 
dort in tüchtiger Rüstung zu stehen komme. — Aber man mattete 
steh um Sachsen ab, verfeindete sich, stritt sich tot um Sachsen, und 
hier weh! daß ich es sagen muß! — hier den hinterlistigen 
Sevlri, Geschichtliches Quellenbuch. VIII. 5
	        
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