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Jahre 1900 dagegen rund 19 Millionen Stück Rindvieh und 17 Millionen
Schweine. Dabei waren 1900 bei beiden Viehgattungen die einzelnen
Tiere im Durchschnitt erheblich schwerer als 40 Jahre vorher.
Ein bedeutender Rückschlag trat allerdings in der Schafhaltung ein.
Die aus Südamerika, Südafrika und anderen außereuropäischen Ländern
nach Europa massenhaft und zu ungewöhnlich niedrigen Preisen eingeführte
Schafwolle hatte zur Folge, daß hier bei uns die Wollpreise um 30— 4090,
zeitweise sogar noch mehr sanken. Die natürliche Folge war ein starkes
Zurückgehen der Schafhaltung und eine Veränderung in deren Richtung,
dahingehend, daß man von der Haltung feiner Wollschafe mehr zur Haltung
von Fleischschafen überging. Auch die Kartoffelbrennerei erfuhr in der
zweiten Hälfte des vorigen Jahrhunderts noch eine beträchtliche Ausdehnung.
Weitaus größer war allerdings der Fortschritt auf dem Gebiete der Rüben—
zuckerfabrikation. Im Jahre 1851/52 wurden in allen deutschen Zucker—
fabriken zusammen 18 Millionen Zentner Rüben verarbeitet und daraus
11/4 Millionen Zentner Zucker gewonnen. Im Jahre 1900/01 betrug die
verarbeitete Rübenmenge 260 Millionen Zentner, also beinahe das fünf—
zehnfache, der hieraus gewonnene Zucker 37 Millionen Zentner, also unge—
fähr das dreißigfache. Im Jahre 1851/52 brauchte man zur Herstellung von
einem Zentner Zucker 14,5 Zentner Rüben, im Jahre 1901/02 nur noch
b,7 Zentner.
Die geschilderten Fortschritte bewirkten zunächst eine weitere bedeutende
Zunahme der Roherträge an pflanzlichen und tierischen Produkten. Aller—
dings wuchsen mit der intensiveren Betriebsweise selbstverständlich auch die
Wirtschaftskosten. Die Mehraufwendungen an Arbeit, der Ankauf von
Futter- und Düngemitteln und die Verzinsung des erhöhten Betriebskapi—
tals verursachten eine sehr erhebliche Steigerung der zu leistenden Aus—
gaben. Hierzu kam noch, daß die bis zur Mitte des vorigen Jahrhunderts
sehr niedrig gewesenen Löhne für landwirtschaftliche Arbeiten zunächst eine
langsame, dann aber eine raschere Zunahme erfuhren. Trotzdem erfolgte
eine sehr erhebliche Steigerung der Reinerträge, und man darf wohl
sagen, daß die Periode von 1850 bis 1875 die glücklichste gewesen ist,
welche die deutsche Landwirtschaft je erlebt hat.
Nicht unerwähnt darf hier bleiben, daß zu dem erfreulichen Gedeihen
der Landwirtschaft in der zweiten Hälfte des verflossenen Jahrhunderts
drei bis jetzt noch nicht berührte Einrichtungen in ganz erheblichem Maße
beigetragen haben, das sind das landwirtschaftliche Ünterrichts-, Ver—
eins- und Genossenschaftswesen. Der im Jahre 1806 von
Thaer gegründeten landwirtschaftlichen Hochschule in Möglin folgten bald
eine großere Anzahl ähnlicher Institute in den verschiedensten Teilen des
deutschen Reiches. Die niederen und mittleren landwirtschaftlichen Unter—
richtsanstalten entwickelten sich später als die höheren. Ihre ursprüngliche
Form war die der Ackerbauschulen, in welchen während eines zweijährigen
Lehrkursus sowohl Praxis wie Theorie gelehrt wurden. In den sechziger
Jahren kamen dann die landwirtschaftlichen Winterschulen auf. Sie ver—
drängten bald die Ackerbauschulen und bewährten sich derart, daß sie an
Zahl und Besuch schnell und stark wuchsen. Im Jahre 1902 waren in
der preußischen Monarchie 128 landwirtschaftliche Winterschulen mit zu—