Das Alte Reich.
Die Lebensbeschreibungen, die wir von Privatleuten des
Alten Reiches besitzen, sind Grabinschriften- das bedingt
wesentlich ihren Charakter, wären sie Tagebuchnotizen oder
überhaupt unter dem Eindruck der Ereignisse geschrieben, um
diese festzuhalten, so könnten wir erwarten, einen wirklichen
Bericht über Vorgänge zu erhalten; dann würden Quellen
vor uns liegen, die wir mit einem gewissen vertrauen zur
Rekonstruktion der Geschichte jener Zeit benützen könnten.
Dem ist aber leider nicht so. Die Grabinschriften sind nur in
ganz vereinzelten Zöllen von dem Besitzer selbst, in den
meisten vielmehr von literarisch gebildeten Schriftgelehrten
verfaßt mit der Absicht, die Tugend des Grabherrn in mög¬
lichst Helles Licht zu rücken. Die Texte, die also natürlich nur
Gutes in tendenziöser Fassung berichten, sind von der hand¬
schriftlichen Fixierung auf Papyrus dann durch Zeichner auf
die Steintvctnd übertragen und endlich durch Steinmetzen,
die selbst kaum Hieroglyphen lesen konnten, sorgfältig ausge¬
meißelt. Es ist selbstverständlich, daß Lebensbeschreibungen
solcher Art keine unmittelbaren Wiedergaben von Ereignissen
sein können1). Und die mehrfache Übertragung durch Leute,
die zum Teil weder lesen noch schreiben konnten, brachte
zahlreiche Fehler in den Text,- hier ist ein Zeichen falsch ge¬
meißelt, dort hat der Schreiber eine Zeile ausgelassen und
dort fehlt die ganze untere Hälfte der Inschrift, weil der Er¬
bauer oder seine Arbeiter über dem Werke die Mittel und die
Lust verloren hatten, vielleicht auch vorzeitig gestorben
waren.
Um die typische Form der Lebensbeschreibungen zu er¬
klären, muß die Bedeutung des Lauwerks geschildert werden,
in dem sie sich finden. Schon im vierten Jahrtausend v. Ehr.,
als die Ägypter noch auf der Kulturstufe der heutigen inner3
a) Erkannt von Georg Misch, Geschichte der Autobiographie I.
Das Altertum (Leipzig-Berlin 1907) 5. 10—38.