Full text: Ein deutscher Bürger des sechzehnten Jahrhunderts

viertes Kapitel. 
Lin Mord aus Notwehr *). 
ITTeine (Eltern, die beiden jungen Eheleute, hatten sich 
wohl eingerichtet, alles fertig gebaut, saßen in voller Nahrung 
mit Zedern, wolle, Honig, Butter, Korn und hatten ihr 
stattliches Mahl- und Braumerf. Der Scheffel Gerste und 
Roggen galt zu dieser Zeit nur 7 weitzpfennige, Hafer einen 
halben Schilling, das ist 14 Stralsundische Pfennige, so daß 
der Bauersmann sagte: „Wenn er nur von dem Scheffel 
Korn 4 Stralsunder Pfennige haben tonnte, hätte er den 
Lohn seiner Arbeit und begehrte nichts mehr"; die Tonne 
Bier galt 1 Gulden, wie solches in meines Vaters Buch zu 
lesen ist. Das mag wohl eine goldene Zeit gewesen sein, 
in der Geld zu verdienen war. Da wandelte sich ihre Glück¬ 
seligkeit in einen gar betrübten und Übeln Zustand. 
Im Jahre 1523 nämlich taufte Jürgen (Georg) hart¬ 
mann, Doktor Stoientins Tochtermann, meinem Vater ein 
viertel Butter ab, wobei sie miteinander in Wortwechsel 
gerieten. Um darüber Klage zu führen, geht hartmann 
— der gerade zu Herrn Peter Korchschwanz (der nachmals 
Bürgermeister wurde, des jetzigen Bürgermeisters Peter 
Korchschwanz Vater) einen Taßhaken (Hirschfänger) trug — 
zu seiner grau Mutter. Diese, die von Natur hochfahrend 
und sehr reich war, auch einen Doktor, der Hat des Landes¬ 
fürsten war, zur Ehe hatte und also geringe Leute wenig 
achtete, .. . gibt ihm ein Handbeil mit den Worten in die 
Hand: „Sieh, da hast du ein vierten 2), gehe auf den Markt 
und kauf dir ein herz...." Dem begegnete mein Vater, 
als er nach der Wage gehen wollte, um sich einen Kessel 
Honig wiegen zu lassen, oben in der Gasse, wo die Klein¬ 
schmiede wohnen, ohne jede ID affe; nicht einmal ein Brot¬ 
messer hatte er bei sich. Ihn überfällt hartmann mit Tatz- 
haken und Handbeil. Mein Vater flieht vor ihm in eines 
Kleinschmieds Haus und erwischt die Fleischgabel,' die 
nehmen ihm die Schmiedeknechte weg, desgleichen ver¬ 
wehren sie ihm auch die Leiter, die am Hängeboden stand; 
') Teil I, Buch 1, Kap. 12. 
■) y4 Schilling. 
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L
	        
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