Full text: Ein deutscher Bürger des sechzehnten Jahrhunderts

c) wie der Nurfürst von Sachsen in einem 
Wirtshaus predigen ließ. 
Dem Kurfürsten von Sachsen *) sollte keine Kirche frei¬ 
gegeben werden, um sich darin predigen zu lassen- er wählte 
dazu ein Wirtshaus. Darin ließ er einen Stuhl machen, 
auf dem der Prediger stand, statt der Grgel gebrauchte er 
Instrumentalmusik mit Lauten, (Querpfeifen, Hinken, Trom- 
peten und Geigen, die ineinander gestimmt waren; das 
mar lieblich zu hören. Der Kurfürst ritt einen Gaul, zum 
Auf= und Absitzen brauchte er eine Leiter, die wurde unter 
dem Sattel dem Gaul an den Leib gesetzt. 
d) Flagellanten in Speie r. — Die Zere¬ 
monie der Fußwaschung. 
Am Mittwoch in der Karwoche (21. März 1543) gegen 
Abend, als es zu dunkeln begann, gingen 80 Flagellanten2), 
Manns- und Frauenspersonen, umher in Hemden, hatten 
das Angesicht mit Tüchern verbunden mit Lochern vor den 
Augen, daß sie durchsehen, und um den Mund, daß sie 
Atem holen konnten, auf dem Rüden so weit ausgeschnitten, 
daß sie mit den Weidenruten, an denen scharfe Angelhaken 
und andere Instrumente ihnen zur Kasteiung befestigt waren, 
den bloßen Leib erreichen konnten, wenn sie von beiden 
Seiten damit herumschlugen. Manche hieben sich und rissen 
mit den Angelhaken sich das Fleisch heraus — ein gar greu¬ 
liches Schauspiel —> daß das Blut häufig auf die Erde floß. 
Sie gingen gar langsam, der eine hinter dem andern her, 
auf beiden Seiten zogen, wie es schien, angesehene spanische 
Herren, ein jeder hatte ein großes Wachslicht in der Hand, 
daß es in der Gasse, darin sie gingen, gar licht war, und 
gingen in die Barfüßer Kirche. Dorn in der Kirche knieten 
sie nieder und krochen also zum Kreuz, das vor dem (Thore 
aufgestellt war. Dorn in der Kirche waren Chirurgen, die 
die Derwundeten verbanden. Man sagte, daß zwei aus der 
Kirche tot getragen worden wären. 
Auch wuschen die Kaiserliche und die Königliche Majestät 
(Ferdinand) ein jeder 12 armen Leuten, nachdem vorher 
*) Johann Friedrich. 
2) Geißler. 
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