Full text: Bilder aus der jüdischen Vergangenheit

aber ihre zeitlichen Umstände. Sie mögen heucheln oder 
in Wahrheit türkisch gesinnt sein, so steht ihnen der Weg 
zu den ersten Ehrenstellen offen. Und von der ändern 
Seite, lebt nicht ein grosser und gewiss nicht verächtli¬ 
cher Teil der Christenheit selbst hier in bürgerlicher, dort 
in kirchlicher Unterdrückung? Vfie lange haben unter 
ihnen nicht die wenigen Edlen unter dem Joche des Aber¬ 
glaubens und der Heuchelei seufzen müssen, bis es der 
Vorsehung gefallen, ihnen glücklichere Zeiten zu beschei¬ 
den? 
Das Sonderbarste ist, dass man christlicherseits alles 
mögliche tut, die Argumentation nicht verloren gehen zu 
lassen. Man hält uns sorgfältig unter dem Drucke, um 
uns desto siegreicher widerlegen zu können. Und was ich 
von den Grönländern gesagt habe ; eben weil ich 
E g e d e*) und C r a n z**) gelesen, hat mir dieses Volk 
in mancher Betrachtung beneidenswert geschienen. Ihr 
Religionszustand ist erbärmlich, das leugne ich nicht; da 
uns aber die Geschichte so manches Volk zu merken gibt, 
das bei bessern Religionsbegriffen in der äussersten mo¬ 
ralischen Verderbnis gelebt hat, so sind meines Erachtens 
jene einfältigen Beobachter der Naturgesetze in Verglei¬ 
chung mit diesen einsichtsvollen Sündern allerdings benei¬ 
denswert. Von anderer Seite scheint mir weder Egede 
noch Cranz Philosoph genug zu sein, die Religionsbegriffe 
dieser Einfältigen zu erforschen. Egede z. B. fand dasje¬ 
nige sehr ungereimt, was ihm der Grönländer geantwor¬ 
tet habe. Ich würde aber den Bischof fragen: Ist nicht 
das Werk der Erlösung nach Ihren Begriffen ebenso 
wichtig als das Werk der Schöpfung? Er würde mit Ja 
*) Zuerst Missionar in Grönland, später Bischof von Grönland 
Starb 1758. 
**) Zeitweise Missionar der hermhutischen Gemeinde in Grönland. 
Starb 1777. Beide schrieben über Grönland beachtenswerte Werke.
	        
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