Full text: Johann Vasmer von Bremen (4)

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Spuren in dasselbe geschrieben. Mit einem unterdrückten 
Weherufe warf sich der treue Sohu in die Arme des 
Vaters; beide konnten ihre Thränen nicht zurückhalten. 
Endlich sagte der Alte: „Du sagst, mein Sohn, ich sei 
frei ? Weshalb dann das Geheimnisvolle Deines Thuns? 
Wenn der Rat meine Unschuld erkannt hat, warum 
kommt er dann nicht selbst, mir meine Freiheit an¬ 
zukündigen ? Mein Sohn, mein Heinrich, Dn täuschest 
mich! Ich bin nicht frei, meine Gefangenschaft ist nicht 
zu Ende!" „Wer sagt es denn, daß der Rat Dir die 
Freiheit geben wolle?" erwiderte Heinrich; „nicht der 
Rat, sondern ich, Dein Sohn, will Dich befreien. Dein 
Kerker steht offen, Fnipil hält den alten Kerkermeister 
zurück, daß er Deine Flucht nicht bemerkt. Auf der 
Weser wartet ein Schiff der Tonnenmacherzunft, Dich 
aufzunehmen und fortzuführen. Darum komm, eile, dieses 
Loch zu verlassen, ehe unsere Flucht entdeckt wird". 
Mit einem langen, vorwurfsvollen Blicke sah Vasmer 
auf seinen Sohn. „Ich soll fliehen, Heinrich?" sagte er. 
„Ist das Gehorsam leisten den Gesetzen, wenn man sich 
dem Arm der Obrigkeit entzieht? Nein, ich will, ich 
kann nicht fliehen, ich muß hier bleiben! Mein ganzes 
langes Leben hindurch habe ich es gezeigt, wie der Bürger 
Unterthan sein soll den Gesetzen, und nun in meinem 
Alter sollte ich mein ganzes vergangenes Leben Lügen 
strafen? Nein, nein, ich bleibe hier und erwarte mit 
Ruhe, was der Rat über mich beschließt; dem Gesetze 
untreu werden will ich nicht, kann ich nicht!" 
„Vater!" rief Heinrich in furchtbarer Angst; „be¬ 
denke es, Dein Leben steht auf dem Spiel. Denke an 
Dich selbst, an die Mutter, an uns, Deine Kinder! Was 
soll aus uns werden, wenn wir Dich verlieren? Der 
Rat ist unerbittlich; selbst Johann von Minden ist unter 
Deinen Widersachern und der grimmigste Deiner Feinde. 
Sie haben beschlossen. Dich zu verderben, sie wollen Dich 
vor das Blutgericht stellen, und Du weißt, daß alsdann 
keine Gnade zu hoffen ist. Darum fliehe mit mir, er¬ 
halte Dein Leben, wende dieser undankbaren Stadt den
	        
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