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Ratsherr geopfert, als zugegeben, daß dem würdigen
Greise, dem er so viel verdankte, auch nur ein Haar ge¬
krümmt würde!
Von entsetzlicher Angst getrieben, eilte sie auf das
Zimmer ihres Gatten, der fieberhaft erregt an seinem
Arbeitstische saß und in einem Aktenstoß herumwühlte.
Als sein Weib eintrat, legte sich eine Wolke des Un¬
muts auf sein Gesicht, das, blaß vor Aufregung, noch um
einen Ton blasser wurde. Doch bezwang er sich; er
kämpfte den Unmut zurück, und indem er aufstand und
seiner Frau entgegenschritt, sagte er: „Sei mir will¬
kommen, teures Weib, in meinem Arbeitszimmer. Ob¬
gleich wichtige Dinge mich beschäftigen und die Last des
Amtes jetzt schwer auf mir ruht, so habe ich doch immer
Zeit, zu den Diensten meiner Gemahlin zu stehen, wenn
ich ihr einen Wunsch erfüllen kann. Darum sprich, was
führt Dich heute schon in so früher Stunde zu mb ? “
„O mein geliebter Gemahl", rief das geängstete Weib,
„sage mir, ist es denn wahr, das Entsetzliche, was ich so¬
eben vernommen, daß der teure Vater der Freiheit be¬
raubt unter schwerer Anklage im Hurrelberge sitzt?
O sprich, daß es nicht wahr ist; gieb mir die Gewi߬
heit, daß der Volkshaufen, der soeben durch die Straßen
lärmte und den Tod des Vaters verlangte, falsch unter¬
richtet wurde!" Händeringend, mit angstbewegter Miene
und wogender Brust stand Vasmers Tochter vor dem
geliebten Mann; dieser aber schwieg und blickte finster
zu Boden, um nicht dem Blicke seiner Gemahlin zu be¬
gegnen. „Du schweigst!" rief sie erschüttert; „o entsetzlich,
Dein Schweigen ist mir Gewißheit, daß es wahr ist,
was ich vernahm. So hast Du es nicht verhindern
können, daß das Schreckliche geschah? O wie sehr be-
daure ich Dich, mein geliebter Mann; wie sehr mußt
auch Du unter dem Drucke der fürchterlichen That¬
sache leiden! Du mußtest das Unrecht 'geschehen lassen
und konntest nichts thun, um den Vater zu retten!"
Minden hatte jetzt seine Fassung wieder gewonnen;
kalt blickten seine grauen Augen auf seine Gemahlin, als