Full text: Die Wiedertäufer in Münster (5)

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Wiedertaufe war sowohl bei den römischen als auch bei 
den protestantischen Mächten die Todesstrafe gesetzt. Sie 
hatten aber noch so vieles andere auf dem Kerbh^lze, daß 
es Wahnsinn gewesen wäre, an eine Begnadigung zu 
denken, selbst wenn sie jetzt freiwillig die Stadt den Feinden 
übergeben hätten, und deshalb hielten sie notgedrungen an 
ihrem Könige fest. So lange er in Münster regierte, 
konnten sie wenigstens ihr elendes Leben fristen, ein Sieg 
der Feinde aber war unter allen Umständen sicherer 
Tod, und schließlich war es besser und ehrenvoller, bei 
der Verteidigung der Stadt zu fallen, als von Henkers¬ 
hand einen schimpflichen Tod zu erleiden. 
Jan van Lehden selbst sah die Not in der Stadt 
nicht oder wollte sie nicht sehen. Er hörte nicht auf, den 
Seinen den endlichen Sieg zu verkündigen, ja er prahlte, 
daß der Herr eine Legion Engel senden werde, wie er 
einst gethan bei Dothan, als er den Propheten Elisa er¬ 
ledigte aus den Händen der Syrer.*) Schon hatte er, 
wie er sagte, ein Gesicht gesehen am Himmel, zwei ge¬ 
kreuzte flammende Schwerter, ein gewisses Zeichen, daß 
der Herr mit ihnen sei und bald herbeieilen werde zu 
ihrer Hülfe; und noch immer fand er Gläubige, die durch 
seine Worte angefeuert wurden zu erneuter Tapferkeit. 
Daß der Hunger schon anfing, in der Stadt zu wüten, 
wollte er durchaus nicht einsehen und zugeben. Freilich 
in seinem Hause herrschte kein Mangel, dort war Hülle 
und Fülle von köstlichen Speisen und Weinen aller Art, 
und er und seine Frauen schwelgten in Wohlleben, während 
auf den Straßen Weiber und Kinder bereits nach Brot 
schrieen. Auf besondern Befehl des Königs wurde nun 
in den Häusern Nachforschung gehalten, ob vielleicht jemand 
in eigennütziger Absicht noch Speise verborgen habe; aber 
es wurde nicht viel gefunden. Schon begann man die 
Pferde zu schlachten, die doch zum Kriegführen so not¬ 
wendig waren, und das Fleisch an die Hungernden in 
kleinen Portionen ausgeteilt; doch auch damit reichte 
*) Vergl. 2. Kön. 6, v. 12 u. s. f.
	        
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