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zu verscheuchen, die meine Worte heraufbeschworen. Seht
Euch um, es ist Frühling worden, und wenn auch noch
oft der Winter mit drohenden Geberden zurückzukehren
scheint, so merken wir doch, daß der Sommer nahe ist.
So wird auch das Wort des Herrn endlich siegen, er
ist dennoch bei uns, und der Hüter Israels schlaft nicht
und schlummert nicht!"
Mit erhobener Stimme hatte der Reformator die letz¬
ten Worte gesprochen; in seinen treuen Augen schimmerten
Thränen, als er nun die Hände der beiden Westfalen ergriff.
Auch in ihre Augen waren Thränen getreten, und Peter
Heskamp sagte: „Ehrwürdiger Vater, es sei, wie Ihr
sagt. Seht, mein Sohn und ich sind des Trostes bedürf¬
tig, und wer könnte uns denselben besser spenden, als
Ihr, der gottgesandte Prophet des deutschen Volkes?
Wir bleiben bis morgen und stellen uns heute Abend
bei Euch ein; dann aber wollen wir uns aufmachen und
heimkehren. Doch nun laßt uns, daß wir zurückkehren
in unsere Herberge; ich bedarf der Ruhe, um mich zu
erholen von dem Schreck, den ich ausgestanden; auch muß
ich meinen Knechten den Weg vorschreiben, den sie
innehalten sollen, wenn mein Sohn und ich nicht bei ihnen
sind." Mit diesen Worten reichten er und Hermann den
Freunden die Hand und gingen zurück in ihre Herberge.
Zweites Kapitel.
Ein Abend bei Luther.
Als um fünf Uhr am Abend dieses Tages die Glocken
zur Vesper riesen, da machten sich auch Peter und Hermann
Heskamp auf, um in die Schloßkirche zu gehen und dem
Gottesdienste beizuwohnen. Sie hatten beide das Gleich¬
gewicht ihrer Seele wiedergefunden und waren ruhiger
geworden, obgleich es wie eine bange Ahnung auf ihnen
tag, daß Schreckliches ihnen bevorstand. Deshalb wollten
sie auch jetzt in die Kirche gehen, um Gott zu bitten.